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der evangelist niemand anderen als Christus. Zweitens betonen die väter und an ihrer spitze Augustinus, ') dem auch Hugo folgt, immer und immer wider, dass der vater alles durch den sohn wirke. Drittens ist es für den in der mittelhochdeutschen literatur nur halbwegs bewanderten gar nichts besonderes, der heilige Christ für got überhaupt geschrieben zu finden.

Auffallend mag uns erscheinen, dass der dichter sagt, der hæilige Christ habe alles in funf tagen geschaffen, und dass er sich dabei noch auf die hl. schrift als quelle beruft, wo doch (Gen. 1, 24) erzählt wird, dass gott auch am sechsten tage noch verschiedene tiere geschaffen habe. Ein lapsus memoriae kann das wol kaum sein, also muss ein anderer grund vorliegen, und dieser dürfte der sein: wenn der dichter den sechsten schöpfungstag für die schöpfung des menschen ganz in anspruch nahm, so wollte er dadurch die hohe würde des menschen, gegenüber welcher der später geschilderte fall desselben um so bedauerlicher und erschütternder hervortreten sollte, ganz besonders betonen. Daher sagt er 3, 54 f.: an dem sehsten er den man geschif unt ouch sumlichiu tyer. Und wenn er auch hier die tyer erwähnt, so erscheint unsere behauptung gegenüber jenen funf tagen trotzdem gerechtfertigt; es scheint ihm dieser vers 55 mehr unbewusst in die feder geflossen zu sein; denn sonst müssten wir einen widerspruch mit v. 52 f. annehmen. Dieselbe stelle findet sich auch bei Hugo (t. 2, 20). D.: quae formatio facta est die sexta? M.: bestiae et cetera animantia, quae vivunt super terram, de terra creata sunt. Consummatio autem et praeparatio omnium, postremo (eadem tamen sexta die) factus est homo (vgl. Gen. 1, 25 f.). Der dichter stellt die sachen um.

Etwas voreilig schiebt der dichter 3, 56-58 den fall Lucifers jetzt schon ein, obwol er 3, 79 ff. ausführlicher darauf zu sprechen kommt. Die stelle beruht auf Luc. 10, 18: ecce vidi Satanam sicut fulgur de coelo cadentem. Wenn sie, was wol nicht anzunehmen ist, der dichter nicht selbst gewusst hat, so hätte ihn Hugo (t. 2, 81C) darauf führen müssen, der sie bei demselben umstande citiert.

1) Um nur einige naheliegende stellen zu citieren: De Genesi ad lit. lib. 1, c. 1. 2. 3. 4. 6. In De trinitate widerholt.

Teils an Hugo, teils an die hl. schrift schliesst sich der dichter in den folgenden versen an: 3, 59-66. Die betreffenden fragen werden von Hugo (t. 2, 19B) ziemlich ausführlich behandelt. Aber der verfasser des Anegenge hält sich hier zunächst an die hl. schrift. Gen. 1, 4 f.: et vidit deus lucem, quod esset bona, et divisit lucem a tenebris. Appellavitque lucem diem et tenebras noctem (Aneg. 59-61).

In v. 62 fasst der dichter Gen. 1,9: dixit vero deus: eongregentur aquae, quae sub coelo sunt, in locum unum et appareat arida sehr geschickt zusammen. V. 63-66 endlich ist Hugo (t. 2, 20 B) verwertet, wo es heisst: luminaria condita sunt in coelo, i. e. sol et luna et stellae; ut lucerent super terram, et illuminarent illam 'et tempora, cursu suo distingueret'. Freilich könnte zu jenen versen auch Gen. 1, 14 ausgereicht haben: dixit autem deus: fiant luminaria in firmamento coeli, et dividant diem ac noctem et sint in signa, et tempora, et dies, et annos. V. 64 ist subjectiver herzenserguss des dichters.

Es heisst weiter 3, 67 ff.: wie chlaine er ez do ordenot, des ist dehæin not, daz wir daz allez gesagen, wan wir der ceit nicht enhaben, daz wir so verre chomen dar in. An derselben stelle, wo Hugo die schöpfungsgeschichte abbricht und zur erschaffung der engel übergeht; bricht auch unser dichter ab, um allerdings nicht auf die erschaffung denn diese hat er schon sondern auf den fall der engel überzugehen. T. 2, 21 sagt Hugo: et ut breviter' id quod mihi dicendum inde videtur tibi absolvam, universa tunc facta sunt, ut nihil postmodum fieret, quod prius vel in materia vel in similitudine creatum non fuisset.

behandelt,

Mit den versen 3, 72-78 hat sich der dichter einen übergang zur folgenden schilderung von Lucifers falle geschaffen, einen übergang, der insofern bei Hugo vorgebildet ist, als derselbe t. 2, 82 ebenfalls nach der allgemeinen darstellung von der erschaffung der engel zur schilderung des falles der bösen engel übergeht. Aber auch die gedanken, die in den versen 76-78 ausgedrückt sind, finden sich bei Hugo (t. 2, 84B): et quia contra creatorem suum in tantum superbivit, deiectus est in istum locum caliginosum... et hoc ad nostri probationem, ut sit nobis adminiculum exercitationis'. Aber unser dichter beliebt hie und da etwas breit zu sein, so auch hier. Es

der evangelist niemand anderen als Christus. Zweitens betonen die väter und an ihrer spitze Augustinus, ') dem auch Hugo folgt, immer und immer wider, dass der vater alles durch den sohn wirke. Drittens ist es für den in der mittelhochdeutschen literatur nur halbwegs bewanderten gar nichts besonderes, der heilige Christ für got überhaupt geschrieben zu finden.

Auffallend mag uns erscheinen, dass der dichter sagt, der hailige Christ habe alles in funf tagen geschaffen, und dass er sich dabei noch auf die hl. schrift als quelle beruft, wo doch (Gen. 1, 24) erzählt wird, dass gott auch am sechsten tage noch verschiedene tiere geschaffen habe. Ein lapsus memoriae kann das wol kaum sein, also muss ein anderer grund vorliegen, und dieser dürfte der sein: wenn der dichter den sechsten schöpfungstag für die schöpfung des menschen ganz in anspruch nahm, so wollte er dadurch die hohe würde des menschen, gegenüber welcher der später geschilderte fall desselben um so bedauerlicher und erschütternder hervortreten sollte, ganz besonders betonen. Daher sagt er 3, 54 f.: an dem sehsten er den man geschůf unt ouch sumlichiu tyer. Und wenn er auch hier die tyer erwähnt, so erscheint unsere behauptung gegenüber jenen funf tagen trotzdem gerechtfertigt; es scheint ihm dieser vers 55 mehr unbewusst in die feder geflossen zu sein; denn sonst müssten wir einen widerspruch mit v. 52 f. annehmen. Dieselbe stelle findet sich auch bei Hugo (t. 2, 20). D.: quae formatio facta est die sexta? M.: bestiae et cetera animantia, quae vivunt super terram, de terra creata sunt. Consummatio autem et praeparatio omnium, postremo (eadem tamen sexta die) factus est homo (vgl. Gen. 1, 25 f.). Der dichter stellt die sachen um.

Etwas voreilig schiebt der dichter 3, 56-58 den fall Lucifers jetzt schon ein, obwol er 3, 79 ff. ausführlicher darauf zu sprechen kommt. Die stelle beruht auf Luc. 10, 18: ecce vidi Satanam sicut fulgur de coelo cadentem. Wenn sie, was wol nicht anzunehmen ist, der dichter nicht selbst gewusst hat, so hätte ihn Hugo (t. 2, 81C) darauf führen müssen, der sie bei demselben umstande citiert.

1) Um nur einige naheliegende stellen zu citieren: De Genesi ad lit. lib. 1, c. 1. 2. 3. 4. 6. In De trinitate widerholt.

4, 20-33. Bei Hugo (t. 2, 83C) wird Augustinus citiert. Hugo citiert frei und bei weitem nicht alles, was bei Augustinus steht. Hugo sagt: item dicit Augustinus super Genesim, und unser dichter, dem das was Hugo aus Augustinus reproduciert hat, nicht genügte, schlug den kirchenvater nach und fand bei ihm, was er uns in der citierten stelle sagt. Denn bei Augustinus (De genesi ad lit. lib. 11, c. 23, no. 50) heisst es von Lucifer: sed factus continuo se a luce veritatis avertit, superbia tumidus et propriae potestatis delectatione corruptus. Unde beatae et angelicae vitae dulcedinem non gustavit (ganz wörtlich sagt unser dichter v. 32 ff. daz er der gotes gute ie 'gesmachte' dehæin tail), quam non utique acceptam fastidivit, sed nolendo accipere deseruit et amisit... Ille autem continuo impius, consequenter (swie ez im ergienge) et mente caecus non ex eo quod acceperat cecidit, sed ex eo quod acciperet, si subdi voluisset deo ... et potestatem illius, sub quo esse voluit, non evasit (vgl. v. 21-23); factumque est pondere meritorum, ut nec iustitiae possit lumine delectari nec ab eius sententia liberari (v. 21 ff.). Die gedanken sind beim verfasser des Anegenge dieselben wie bei Augustinus, ja mitunter wörtlich herübergenommen, wenn man auch sagen muss, dass die reihenfolge eine andere ist.

Im folgenden geht der dichter wider auf Hugo zurück. Vergleicht man mit 4, 34-44 Hugo, t. 2, 84 B, so ist der zusammenhang unverkennbar. Dort heisst es: et qui contra creatorem in tantum superbivit, deiectus est in istum caliginosum aërem cum omnibus, qui ei consuerant (sehr gut gegeben durch unt alle die in der sunde wolden gehelen unt bei gestan); sed in aëre caliginoso, qui est carcer is usque in diem iudicii. Tunc enim detrudetur in barathrum inferni secundum illud: ite maledicti in ignem aeternum, qui praeparatus est diabolo et angelis eius (Matth. 25, 41).

In v. 42 denkt der dichter wol ausserdem an die bekannten biblischen stellen: ibi erit fletus et stridor dentium und vermis eorum non moritur (Matth. 8, 12).

In den versen 4, 45 ff.: durch so getane sunde hat daz abgrunde der tivel besezzen widerholt der dichter eigentlich das in v. 34-37 gesagte, schliesst aber zugleich die darstellung von Lucifers fall und strafe ganz geschickt ab, um zu einem

handelte sich um einen engel, der fällt (Lucifer), und das bewog ihn, was übrigens nicht ganz ungeschickt war, nochmals auf die erschaffung und den zweck der engel, wovon er bereits 2, 70-83 gesprochen hatte, zurückzugreifen. Allerdings ist er hier viel kürzer als dort, wenn er sagt v. 79: die engel beschuff der gotes giwalt durch seiner gute einvalt, (4, 1) daz si in loben solden.

Was er dann 4, 21) — 15 anführt, finden wir ebenso bei Hugo, nur dass für 6 und 7 eine später zu citierende stelle massgebend war. T. 2, 83 ff. heisst es: inter eos qui ceciderunt fuit excellentior omnibus aliis non solum iis, qui ceciderunt, sed et aliis omnibus eum fuisse excellentiorem videntur auctores velle... Et in Ezechiele (c. 28, 12 ff. heisst es wörtlich: tu signaculum similitudinis, et perfectus decore, in deliciis paradisi dei fuisti... Hugo hat frei citiert): tu signaculum similitudinis plenus scientia et perfectione decoris in deliciis paradisi. Quod sic exponit Gregorius: quanto in eo subtilior erat natura, tanto in illo imago dei similius 'expressa'. Dieser letzte satz führte unsern dichter dazu, das gleichnis vom wachsabdruck zu bringen, das ihm ja aus dem damals allgemein üblichen gebrauch von wachssiegeln geläufig sein musste.

Zu 4, 16-19 stimmt Hugo (t. 2, 84 AB): quia ut Isidorus, postquam creatus est absque aliquo intervallo profunditatem suae scientiae perpendens (er douchte sich so wol gitan, do er sich selben ane sach) in suum creatorem superbivit et, ut dicitur in Isaia, deo aequari voluit (er wolde dem obristen sein geleich) dicens: in coelum ascendam, super astra coeli exaltabo solium meum, et ero similis altissimo (der obriste). Is. 14, 13 f. ist frei citiert. Der letzte satz ist die quelle für Anegenge 4, 6 f. gewesen.

Im folgenden (4, 20-33) geht der dichter, wie wir das im verlaufe der darstellung auch an anderen stellen finden werden, von seinem viel benützten Hugo von St. Victor ab, weil er ihm nicht ausreicht; er ist aber zweifelsohne gerade durch ihn auf die neue quelle geführt worden.

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1) Diese stelle muss corrumpiert sein. Entweder muss es heissen: das wollten sie jedoch nicht nämlich gott loben - dann ist aber der zusammenhang mit v. 3 unklar, wenn es auch dem sinne nach zu v. 1 stimmt. Ich meine es sollte heissen: des doch nicht enwolde — Lucifern dunchen genuc.

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