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ist), angeregt wurde, auch das in sein gedicht einzufügen. Vielleicht hat er sogar manches attribut von Hugo geborgt. Aber weder Hugo noch der von Hugo so oft citierte Augustinus sind für den verfasser des Anegenge in den folgenden versen die quelle gewesen, sondern die hl. schrift selbst hat ihm das material an die hand gegeben. Beweis dafür ist, dass diese attribute bei unserm dichter erstens zahlreicher, zweitens in anderer reihenfolge, drittens in anderer zuteilung an die verschiedenen göttlichen personen aufgeführt werden, als dies bei Hugo und Augustinus der fall ist. Die wichtigsten belegstellen beizubringen erscheint notwendig.

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Der dichter sagt 5, 41 er hæizzet here unt gebietære. Diese ausdrücke, denen die lateinischen dominus und dominator entsprechen, kann man fast auf jeder seite der hl. schrift finden. 5, 42 er hæizzet reicher unt vorchtigere. Dazu vgl. z. b. Rom. 10, 12 nam idem dominus omnium 'dives' in omnes. Eph. 2, 4, weiter Ps. 75, 7 tu 'terribilis' es... Deut. 7, 21 deus magnus et 'terribilis'. Ebenso Ps. 64, 3. 65, 5. 88, 8. 95, 4. Eccl. 41, 31. Dan. 9, 4. 5, 43 er hæizzet unwandeliger; dazu ist Mal. 3, 6 ego enim dominus et non mutor' heranzuziehen. 5,44 unt starcher unt chrefftiger. Diese beiden ausdrücke kommen sehr häufig in den büchern des Alten testam. vor, so z. b. Ps. 23, 8 dominus 'fortis et potens', dominus 'potens' in proelio. Oder Gen. 46, 3 ego sum 'fortissimus' deus u.s. w. 5, 45-50 sind, wie sich unten zeigen wird, nach Hugo gedichtet. 5,51 er hæizzet schephare. Auch dieser ausdruck ist in der hl. schrift nicht selten: Eccl. 24, 12 et praecepit et dixit mihi 'creator' omnium. Ebenso Deut. 32, 18. Judith 9, 17. Eccl. 12, 1. Sap. 13, 5. Rom. 1, 25. 1. Petr. 4, 19. 5,52 unt got der gewære. Schon Ps. 85, 15 können wir lesen et tu domine deus ... multae misericordiae et 'verax'. Joh. 14, 6 ego sum via et 'veritas' et vita. Aehnliche stellen Matth. 23, 16. Marc. 12, 14. Joh. 3, 33. Rom. 3, 4. 5, 53 er hæizzet rechter unt chumftigare. Dazu wäre heranzuziehen Ps. 91, 16 quoniam 'rectus' dominus. Deut. 32, 4 deus iustus et 'rectus' und Hebr. 10, 37 . . . qui ‘venturus est' et veniet. Apoc. 11, 17 qui 'venturus' es 5, 54 richtære unt furnunftigære. Parallelstellen dazu bietet Ps. 7, 12 deus 'iudex', iustus, fortis et patiens. Hebr. 12, 23 ... et ‘iudicem' omnium deum. Der ausdruck furnunftigære ist aus den

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stellen der hl. schrift abgeleitet, wo von dem einflusse gottes auf verstand und herz des menschen die rede ist; so z. b. in Ps. 22, 1 dominus regit me, et nihil mihi deerit. Ps. 118, 105 lucerna pedibus meis verbum tuum u.s. w. - 5,55 hæilant unt wunderlich entsprechend dem lateinischen salvator und mirabilis wie in Gen. 41, 45. Reg. 14, 39. Is. 12, 2, wo der ausdruck salvator für hæilant gebraucht ist. Bezüglich Jesus Christus ist besonders Luc. 2, 1. Joh. 4, 42. 1. Tim. 1, 1, 2, 3. 4, 10 heranzuziehen. Mirabilis wird gott genannt Ps. 67, 36. Ps. 62, 4 und widerholt ist namentlich in den Psalmen hervorgehoben, dass er mirabilia wirke. 5, 56-60 sind durch Hugo veranlasst; davon später. 5, 61. 62 er hæizzet senfter und gåter unt diemuter; wo man zunächst an Matth. 11, 29 sich erinnert: discite a me, quia 'mitis' sum et 'humilis' corde. Ps. 85, 5 tu domine 'suavis' et 'mitis'. Ps. 71, 1 quam bonus' Israel deus. Ebenso Ps. 117, 1. 118, 61. Luc. 18, 18 magister 'bone'. 5, 63 f. milter unt erbarmiger, gedultiger und genadiger. Milter clemens wird gott genannt Ex. 34. 6. 2. Par. 30, 9. 2. Esdr. 9, 31. 4, 2. Dazu in Ps. 85, 5 tu domine 'suavis' et 'mitis', ibid. 14 et du domine 'miserator et misericors, patiens et multae misericordiae'. 5, 65 unt diu ware minne. So wird gott genannt 1. Joh. 4, 16 deus charitas est. Aehnlich 1. Joh. 3, 17. Rom. 5, 5.

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5, 68 ff. nu sult ir ouch wizzen: so haizet der heilige gæist alles gutes schuntære un vollæist. Diese stelle beruht auf 1. Cor. 12, 11 omnia haec operatur unus atque idem spiritus dividens propria unicuique prout vult. Heranzuziehen wäre noch Rom. 8, 26 similiter autem et spiritus adiuvat infirmitatem nostram...

5, 71 f. beruhen auf Hugo. 5, 74 heisst es weiter irn mocht ouch nicht minner sin, wan so gebræst des vollen da. Das ist eine reminiscenz aus August., De trin. 1. 15, c. 7, s. 1065, der sagt nec aliquid ad naturam dei pertinet, quod ad illam non pertineat trinitatem. Und wenn der dichter 76 ff. weiter sagt: ez hat ouch anderswa michel bezeichnunge, die man mit tiuscher zunge nicht mag errechen, so scheint er auch hier eine ganz merkwürdig übereinstimmende stelle des Augustinus, De trin. 1. 5, c. 12, no. 13, s. 919 vor augen gehabt zu haben: in multis enim relativis (bezeichnungen der drei göttlichen personen sind gemeint) hoc contingit, ut non inveniatur vocabulum', quo sibi vicissim respondeant, quae ad se referuntur.

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

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Es wurde schon darauf hingewiesen, dass unser dichter durch Hugo zur aufzählung der genannten eigenschaften der göttlichen personen angeregt worden sei und auch zugegeben, dass er manches von ihm geborgt habe. Um das was der dichter in der genannten partie seines werkes dem Hugo verdankt, nachzutragen, muss auch die betreffende stelle hier ihren platz finden (t. 2, 57 f.): unde dicitur: credo in unum deum, patrem omnipotentem. Spiritus etiam solet poni ad rigorem significandum et crudelem (vielleicht jenes vorchtigære) solet denotare; sed ideo bonitas vel benignitas (v. 71 gotes gut hæizzet er ouch da bei) frequentius appellatur. Hic oritur quaestio difficilis, si in deo tres personae dicuntur esse, quia potens, sapiens, benignus est (hier und im folgenden liegt für den dichter die veranlassung zur aufzählung der namen), quare non potius quatuor vel quinque vel multo plures, cum sit fortis, iustus, misericors, pius etc.? Ad quod dici potest, quod quaecunque dicuntur de deo et creduntur veraciter in deo, ad haec tria referuntur (dazu stimmen 5, 72-75, wenn nicht die letzten zwei verse, wie angegeben, auf Augustinus zurückzuführen sind). Si enim fortis dicitur, incorruptus, immutabilis (5, 43 unwandeliger?) et similia (dieses et similia war die eigentliche veranlassung für den dichter, andere namen aus dem sprachschatze der hl. schrift hervorzusuchen), totum hoc potentiae est (dazu stimmt aus dem gedichte 5, 45-48; beachte speciell die ich den geleichen wil = et similia). Si providus, inspector, intelligens, hoc totum sapientiae est (dazu 5, 56-58: alle namen di den sint gelich die hårent an den weistům der da genant ist der sun; bringt der dichter für den sohn auch andere namen als Hugo, so stimmt doch die zuteilung an den weistům, sapientia überein). Si pius, mansuetus, misericors, totum hoc bonitas est (vgl. 5, 69-71). Et in his tribus summa perfectio est. Ubi enim concurrunt ista tria, posse scire velle, nihil deest (ganz so unser dichter 5, 72 f.: ez ist niht durft, daz er baz genennet sei: ir ist genuc an disen drin).

Nachdem der dichter diese ziemlich subtile frage abgetan, greift er noch einmal auf 5, 11 ff. zurück, um den grund anzugeben, warum dem vater der gewalt, dem sohne der weistům, dem hl. geiste diu gute zugeschrieben werden: 5, 801) — 6, 3.

1) 5,82 steht im texte rat, was aber absolut keinen sinn gibt; der zusammenhang verlangt vielmehr die lesart vater.

Zu diesen versen hat abermals die aus Hugo (Migne t. 2, 57 C) citierte stelle als quelle gedient: et tamen saepissime in sacra scriptura per potentiam pater, per sapientiam filius, per bonitatem spiritus sanctus intelligitur. Freilich fügt der dichter etwas selbstbewusst hinzu: 6, 4 ich wil dirz sagen: du sein niht enweist, wenn er auch im folgenden den urheber jener gedanken lobt: 6,5-11 owe, wie rechte er sprach, der daz von erste ane sach, daz der gotes gewalt an den vater ist gezalt; wan er nie nicht geworchte durch liebe noch durch vorchte, wan durch den sun hat erz getan. Nach dem bereits gesagten ist wol kein zweifel, dass Hugo mit dem gemeint ist der rechte sprach, daz der gotes gewalt an den vater ist gezalt. V. 9–11 könnten ebenfalls durch Hugo (t. 2, 375 C) veranlasst sein: quia omne quod pater facit, per filium facit. Diese stelle beruht ihrerseits wider auf mehreren schriftstellen, so Hebr. 1, 2 novissime diebus istis locutus est nobis in filio, quem constituit haeredem universorum, 'per quem fecit et saecula' und von diesem filius sagt der apostel 1, 10: et tu in principio terram fundasti: et opera manuum tuarum sunt coeli. Nimmt man hinzu Joh. 5, 22 neque enim pater iudicat quemquam, sed omne iudicium dedit filio, so würde man erklären können, warum der dichter sagt: er nie nicht geworchte durch liebe noch durch vorchte. Denn die schöpfung überhaupt geschah aus liebe, das gericht aber ist etwas furchtbares.

6, 12-19. Dazu stimmt abermals Hugo (t. 2, 373 A): sed hic primo considerandum est, quod cum dicitur filius facere omne quod pater facit, de illa nimirum operatione intelligendum est, qua creaturam condit et regit et disponit conditor et artifex deus ..; ib. C hic ergo omnia quae fecit pater et filius facit similiter. Und weiter t. 2, 58: patet itaque quod deus a tempore est dominus et creator; et tamen verum est, dominus omnium est ab aeterno et creator ab aeterno.

6, 20-26 hat der dichter folgende gedanken Hugos einfach umgestellt (t. 2, 57): attribuitur ergo patri potentia, ne videatur prior filio et ideo impotentior; filio sapientia ('sinne') ne videatur posterior et inde minus sapiens patre vel inferior.

6, 27-29. Mit diesen versen will der dichter nichts anderes sagen als in Joh. 1, 3 gesagt wird: omnia per ipsum facta sunt, et sine ipso factum est nihil, quod factum est.

Etwas dunkel scheint 6, 30 ff. zu sein. Die frage ist, was der dichter unter dem orden versteht, den der gottessohn verloren hätte, wenn uns der vater nicht geschaffen hätte? Er kann, so weit uns wenigstens das belehrt was er später vom sun erzählt, unter dem orden wol nichts anderes verstehen, als die stellung welche dem gottessohn nach der erschaffung bez. nach dem falle des menschengeschlechtes angewiesen wurde. Hugo deutet die sache wol an (t. 2, 70): est igitur persona filii incarnata, ut idem qui erat filius in divinitate, esset filius in humanitate. Erat et decens, ut sicuti per sapientiam suam pater mundum fecit, ita per eamdem redimeret. Deutlicher sprechen darüber andere väter, so Ambrosius (De incarnationis dominicae sacramento c. 6, no. 56): quae erat causa incarnationis nisi ut caro, quae peccaverit per se (i. e. verbum) redimeretur; Augustinus (Sermo 175, no. 1): nulla causa fuit veniendi Christo domino, nisi peccatores salvos facere. Am massgebendsten erscheint mir jedoch für diesen punkt eine stelle bei Athanasius zu sein, welcher (De incarnatione no. 4) schreibt: quia enim sermonem habemus de salvatoris nostri ad nos adventu (das ist sein orden), necesse est etiam de hominum primordiis loqui, quo plane perspicias nostram causam eius adventus fuisse occasionem nostroque peccato verbi benignitatem excitatam fuisse, ut ad nos accederet et inter homines dominus appareret.1) Es ist wol möglich, dass dem verfasser des Anegenge diese ansicht aus der theologischen literatur im voraus bekannt gewesen ist; aber ihren ursprung dargetan zu haben, scheint mir nicht ohne nutzen zu sein.

Nachdem der dichter gesagt, dass dem vater der gewalt, dem sohne weistům, dem hl. geiste diu gute zukommen, sucht er 6, 33-42 die sache weiter auszuführen. Diese verse geben den inhalt von dem wider, was Hugo t. 2, 210, c. 10 sagt: secundum voluntatem quippe disposuit quod voluntate facturus fuit; et voluntas aeterna fuit, et opus voluntatis aeternum non fuit. Semper enim voluit ut faceret; sed ut aliquando faceret, quod semper voluit ut aliquando faceret. Sic voluntas aeterna fuit, quando fieret quod futurum fuit. Duo itaque haec in

1) Dazu ist zu vergleichen jene stelle des Symbol. Athanas.: qui propter nos homines et propter nostram salutem descendit de coelis. Et incarnatus est de spiritu sancto et homo factus est.

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