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Nun meint man freilich, der Iwein falle nach dem A. H., weil wie Naumann a. a. o. s. 43 behauptet, die verse des A. H. 1-28 zu den ähnlichen versen Iw. 21-30 im verhältnis des originals zur nachbildung stünden. Aber das wird von Naumann nur behauptet, nicht bewiesen. Benecke (zu v. 22) führt allerdings dafür einen grund an, freilich einen etwas sonderbaren: die verse des A. H. seien freier und leichter, die stelle also ursprünglicher und älter. Näher liegt doch die annahme, dass Hartmann im A. H. die etwas unbeholfene periode des Iwein widerholend zerlegt und dadurch die stelle verbessert habe. Mir scheint die einleitung des A. H. jünger als die des Iwein. Sie verrät deutlich den einfluss der stimmung die den Gregor beherscht. Im Iwein dichtet Hartmann, wenn er seine zeit nicht nützlicher anwenden kann, im A. H., um schwer drückende zeit andern leichter zu machen (vgl. auch San Marte bei Haupt, A. H.2 S. XVIII). Dort schreibt er nur, weil er weiss, dass die leute es gern hören: hier in erster linie um gott zu ehren (wie den Gregor), dann auch den leuten zu liebe. Also durchweg im A. H. eine viel ernstere auffassung seiner kunst (vgl. H. v. A. s. 54 fussn. 2). Dazu kommt, dass die stelle im A. H. weit leichter und lesbarer ist als die im Iwein, wie schon Benecke anmerkt. Das spricht für spätere abfassung, wie oben gesagt.

Es tritt noch eins hinzu. Hartmann nennt und charakterisiert sich in seinen werken absichtlich, und zwar gleich in der einleitung. So im I. büchl. v. 29, Iwein v. 28 und Gregor v. 173. Aber an diesen drei stellen steht das persönliche mit dem namen immer am schluss der einleitung, unmittelbar vor beginn des eigentlichen inhalts. Hier im A. H. stehen diese angaben voran, am beginne der einleitung. Ausserdem folgt v. 18 noch ein grund für diese gewohnheit: er möchte sich die fürbitte des lesers oder hörers sichern. In den andern werken wird nie ein solcher grund angegeben. Diese besondere anlage der einleitung des A. H. ist natürlich beabsichtigt; sie ist wahrscheinlich die antwort auf irgend welche bemerkungen die sich jemand über Hartmanns gewohnheit, insbesondere über die hervorhebung seiner gelehrsamkeit (im Iwein) bez. deren hervortreten (im Gregor) erlaubt hat. Ohne zweifel nimmt Hartmann in ihr absichtlich auf den Iwein bezug und widerholt die

selbstcharakteristik aus opposition ausführlich und zwar am anfang des ganzen. Zugleich lehnt er den vorwurf der eitelkeit indirect durch v. 18 ab.

Ist diese beurteilung der einleitung richtig, dann folgt auch daraus, dass der A. H. das letzte werk des Auers ist.

Man fragt: wer ist derjenige dem Hartmann opposition macht? Man denkt zunächst an Wolfram. Wie Hartmann im Iwein seine gelehrsamkeit betont, so betont Wolfram im Parz. 115,25 ff. und Wh. 2, 19 ff., dass ihm diu buoch fremd seien. Das bedeutet, er habe die gelehrte (lateinische, schulmässige) bildung nicht genossen. Es bedeutet nicht, wie man vielfach glaubt, er habe überhaupt keine bildung und könne weder lesen noch schreiben. Im Willehalm liegt das zu tage. Es handelt sich dort um den gegensatz der ansichten und kenntnisse die das natürliche denken (sin) und wissenschaftliches studium der gelehrten kirchlichen literatur (der buoche) gibt. Aber auch im Parzival ist es nicht anders. Man scheint zu glauben, v. 115, 28 bedeute 'damit (sc. mit der versicherung ihrer gelehrten bildung) fangen viele ihre werke an'. In diesen worten spürt man dann einen seitenhieb auf Hartmanns einleitungen, bes. die des Arm. Heinr. Diese erklärung halte ich nicht für zulässig. Erstens passt das genuoge nicht (auch nicht wenn man es als übertreibende verallgemeinerung nimmt), falls bloss Hartmann gemeint ist. Ferner heisst urhap nemen nicht 'anheben etwas zu tun' sondern entspringen, seinen ursprung nehmen', also 'anheben zu sein'. Vgl. die beispiele bei Lexer. Genuoge kann darum hier nur auf aventiuren gehen. Also: 'wer die fortsetzung wünscht, der betrachte meine erzählung nicht als ein gelehrtes werk: von gelehrtem wesen verstehe ich auch nicht einen buchstaben (buochstap in einer durch das voraufgehende buoch humoristisch gefärbten bedeutung). Viele aventiuren haben ja freilich dort (in der gelehrsamkeit) ihren ursprung: diese hier dagegen geht ohne beihilfe der gelehrsamkeit ihren weg'. Wolfram will also hier offenbar die meinung abwehren, als habe der inhalt seines werkes in letzter instanz einen gelehrten, lateinischen ursprung oder solle mit gelehrsamkeit abgehandelt werden. Man konnte das denken, da er in den ersten zwei büchern scheinbar geschichte des hauses Anjou erzählt. Aventiuren deren ursprung

in der gelehrten literatur liegt, gab es in der tat viele: Alexander, Eneide, Karlsepen, die legenden u.s.w. Vgl. übrigens auch den anfang des Ezzoliedes.

Trotzdem ist nicht undenkbar, dass zwischen dieser stelle und Hartmanns einleitungen eine beziehung besteht. Wolfram kennt in den ersten sechs büchern des Parzival sicher Erec und Iwein (vgl. Pipers zusammenstellung, Wolfr. v. Esch. 1, 24); kenntnis des A. Heinr. ist ihm in b. 1-6 meines wissens nicht nachgewiesen. Er kennt mithin die einleitung des Iwein, wo Hartmann seine gelehrsamkeit hervorhebt und damit seine dichtung als ein werk der gelehrsamkeit hinstellt. Während also Hartmann seinen Iwein wie ein gelehrtes buch beurteilt wissen möchte, während die ursprünge des Gregor in der gelehrten literatur liegen und das gedicht selbst (vgl. schon dessen einleitung) mit der buoche stiure vert, lehnt Wolfram jede mittelbare oder unmittelbare beziehung zur gelehrsamkeit ab. Er verlangt also, dass man seine dichtung anders beurteile als die seines berühmten vorgängers, mit dem er, der anfänger, sich nun messen will. Die Parzivalstelle enthält daher nicht eine verspottung Hartmanns (dazu hatte der junge Wolfram, der mit seinem ersten werk hervortrat, gar keine veranlassung), sondern sie soll dem vorbeugen, dass man den Parzivaldichter ohne weiteres mit dem masse messe, das man an die werke des allgemein berühmten wîsen Hartmann anlegte. Besorgnis vor der kritik hat sie ebenso sehr eingegeben als stolzes selbstgefühl.

Wolfram lehnt also wenigstens für seine person Hartmanns weise der dichtung ab. Dass Hartmann bei gelegenheit darauf geantwortet ist wahrscheinlich. Ich halte es darum nicht für unmöglich, dass sich die einleitung des A. Heinr. gegen Wolframs ablehnung der buoche richtet. Darum wird gleich zu anfang das gelêret und diu buoch betont. Zugleich wird damit eine indirecte polemik gegen solche verbunden, die die namensnennung für eitelkeit halten. Wolfram ist damit natürlich nicht gemeint, denn er nennt sich auch (Parz. 114, 12). Wol solche die es in der weise der volkspoesie für unpassend erachteten ihren namen zu nennen.

Ist diese deutung richtig, dann sind die ersten bücher des Parzival schon vor dem abschluss des A. Heinr. herausBeiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

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gekommen, doch so, dass beide werke bald nach einander erschienen.

Für den A. Heinr. ist der terminus ad quem 1203. Denn etwa in diesem jahr beginnt Wirnt den Wigalois zu schreiben; dies werk benutzt aber von vornherein alle werke Hartmanns. Vgl. diese Beitr. 21, 259. Wolfram verrät kenntnis des A. Heinr. erst Parz. 9, 455, 1 ff. (nachahmung der einleitung). Gottfried kennt ihn schon von vornherein: vgl. Trist. 157 f. 163. 177 (A. Heinr. 23). 247 (A. Heinr. 43). 254 (A. Heinr. 79). 311 ff. (A. Heinr. 153 ff.). Aber auch die einleitung des Parzival, damit also dessen erste bücher: Trist. 4636 ff.

Nun freilich lernt Wirnt Wolframs erste bücher später kennen als den A. Heinr. (vgl. a. a. o. s. 267). Das beweist aber gegen meinen ansatz nichts. Denn der A. Heinr. war das werk eines schon weit berühmten dichters, ausserdem nur kurz, daher schnell abzuschreiben und zu verbreiten. Die sechs bücher Wolframs aber abzuschreiben dauerte lange, auch war ihr verfasser noch ohne ruf. Ihre verbreitung konnte darum sehr wol langsamer erfolgt sein. Auch mag der zufall gewaltet haben.

Das erscheinen von Parz. 1-6 und A. Heinr. darf man um 1202/3 ansetzen. Man bekäme dann die reihe: Erec, Iwein (Gregor); Parz. 1-6; A. H.; Parz. b. 7 ff., Tristan und Wigalois. Ist nun der A. Heinr. erst im anfang des 13. jh.'s erschienen, so findet auch das

dâ mite er swære stunde

möhte senfter machen

und überhaupt die ganze dem ritterlichen leben sehr abholde stimmung der erzählung eine erklärung.

Swære stunde ist 'drückende, schmerzliche zeit', schwerlich bloss 'langeweile'. Und in der tat war die zeit manchmal für einen Schwaben drückend. Denn es war die zeit des krieges zwischen Philipp von Schwaben und Otto, der die vasallen beider immer unter den waffen hielt und die frohe stimmung der zeit vor 1197 nicht aufkommen liess. Wie diese wirren die ritterliche gesellschaft beeinflussten, wissen wir auch aus dem Wigalois. Vgl. diese Beitr. 21, 269 ff.

Es weist also alles darauf, den Iwein vor den Gregor und den A. Heinr. zu setzen. Macht derselbe einen besonders

vollendeten eindruck, so vergesse man nicht, dass er eben das meisterwerk Chrestiens ziemlich treu widergibt, eine tatsache, die Piquet mit recht betont (Étude sur Hartm. d'Aue, 1898, s. 219). Man darf die verdienste des Franzosen nicht dem Deutschen zuschreiben. Der A. Heinr. aber ist gewis keine übersetzung, sondern die bearbeitung einer lateinischen geschichte. Die verschiedene beschaffenheit der vorlagen muss eine untersuchung über die chronologie berücksichtigen (vgl. auch Schönbach s. 457).

Die kritische verwendung der zu gebote stehenden zeugnisse ergibt also die reihe I. büchlein und Erec, Iwein, Gregor, A. Heinr. Damit hat man aber nur die relative chronologie, nicht die absolute. Kann man über diese etwas ermitteln?

Das büchlein steht sicher zur liebespoesie Hartmanns in beziehung, fällt daher vor 1189. Den Erec setzt man wegen der erwähnung von Connelant nach dem kreuzzug an. Notwendig ist das keineswegs. Die stelle beweist nichts weiter, als dass Hartmann eine allgemeine kenntnis von Iconium hatte und dass er meinte, sein publicum werde sich für die notiz interessieren. Das war vor dem kreuzzug von 1189 eben so möglich wie nachher. Man kann also den Erec ganz vor den kreuzzug setzen. Das empfiehlt sich besonders wegen der beziehung zum I. büchl. (oben s. 27. 29).

Es fragt sich, ob man es nicht auch mit dem Iwein tun muss. Schönbach meint, der dichter stehe im Iwein noch ganz im minneleben (s. 461). Er weist hin auf die einschübe v. 2971 ff. 1621 ff. u. ä. Schönbachs annahme scheint mir in der tat sehr glaublich. Man kann sich vorstellen, dass Hartmann das verhältnis von Laudine und Iwein mit zügen aus seinem eigenen, unglücklichen ausstattete, dass der Iwein also zeitlich den letzten und besten seiner minnelieder gleich steht. 1) Vielleicht ist dann seine anfängliche opposition gegen den minnedienst grund, dass er zuerst gerade den Erec zur bearbeitung wählte, einen roman, dessen held seine dame recht schlecht behandelt.

Nimmt man an, dass Erec und Iwein in die periode der minnepoesie, also vor 1189 fallen, dann liegt eine weitere

1) Man beachte auch: gehaz findet sich nur im Iwein (10 mal und immer im reim). Sonst bei Hartmann nur MF 207, 35. Vos s. 16.

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