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Bevor ich aber an eine vergleichende betrachtung dieser epischen und lyrischen frauenlieder herangehe, muss ich zunächst den Eilhartischen liebesmonolog, der ja das vorbild für die späteren wurde, einer kritischen untersuchung in bezug auf echtheit und interpolation unterwerfen. Denn da das gedicht Eilharts vollständig nur in einer bearbeitung des 13. jh.'s vorliegt, so konnte die annahme nahe liegen, dass viele übereinstimmungen mit der späteren höfischen dichtung auf rechnung des bearbeiters zu setzen seien. Diese etwaigen interpolationen müssten natürlich für die untersuchung über die abhängigkeit der lyrik von der vorausgegangenen epik durchaus unberücksichtigt bleiben.

Wir haben für die herstellung des textes drei quellen: 1) die jüngere gereimte bearbeitung aus dem 13. jh., D und H = X (Lichtenstein). Aeltere, dem originale näher stehende fassungen aber bieten 2) die prosaauflösung P aus dem 15. jh. und 3) die czechische übersetzung aus dem 13. jh. (vgl. Feifalik, WSB. 32, 300). Doch man darf 2) und 3) nicht überschätzen; denn 2) enthält eine reihe von misverständnissen (Lichtenstein, Zur kritik des prosaromans s. 19 ff.), und was schwerwiegender ist, es setzt moderne wörter für antiquierte ein (Lichtenstein a. a. o. s. 23 ff.) und kürzt die dialoge (X 457-495 ist in P 8, 8 ff. stark gekürzt im gegensatz zu Č 14, 12—15, 23, das hier auf seiten von X steht; ähnlich X 646-668 Č 22, 6 — 23, 1 : P 12, 5-20; X 729-736 Č 24, 17-25, 5: P 13, 17-19). 3) ist ebensowenig eine einwandsfreie quelle. Denn sie enthält eigene zusätze, die nur eine widerholung früherer gedanken oder eine notdürftige herstellung eines anschlusses sind (Knieschek a. a. o. s. 348), misverständnisse des deutschen originals (Knieschek s. 351), abweichungen und änderungen (Č 92, 19: X 2558). Wichtiger sind aber die unstatthaften auslas

3525-3527; Veldekes Eneide 1362-1408. 2442-2447 (Dido), 1006410388. 10400-10435. 10476-10495. 10726-10784. 11383-11422. 1142811465. 11504-11552. 12215-12300. 12672-12688 (Lavinia). Hausen, MF. 54, 1. Velde ke 57, 10. 67, 17. Johannsdorf 94, 35. Rugge 106, 15. Morungen 142, 26. Reinmar 151, 1. 167, 31. 178, 1. 186, 19. 192, 25 (199, 25 und 203, 10 werden mit recht von Er. Schmidt, QF. 4, 76 und 74 für unecht erklärt); Hartmann 212, 37. 217, 14. 216, 1. Walther 113, 31. 39, 11. Otto von Botenlauben MSH. 28, 8.

sungen (Lichtenstein a. a. o. s. 10, 8). In der grossen kampfschilderung X 6022-6072 hat Č offenbar stark gekürzt. Dass aber P nur drei zeilen (130, 10-12) dafür verwende, wie Knieschek meint, ist falsch, denn nur die anordnung der gedanken weicht in P von der in X ab; man vergleiche X 6035 ff. mit P 130, 24; X 6048 mit P 130, 21.

Wie alle jüngeren überarbeitungen älterer gedichte hat auch X das bestreben, das gedicht nach inhalt und form der neuen kunstentwickelung anzupassen. So finden sich denn in der tat neben der beseitigung der alten assonanzen auch tiefer gehende erweiterungen (Lichtenstein a. a. o. s. 17). Manchmal aber stimmt X mit Č und P gegen die alten fragmente (A) überein, so dass selbst Knieschek (a. a. o. s. 339 ff.) zu der ansicht kommt, dass X an einigen stellen das ursprüngliche widergebe. Jedenfalls aber muss ich mit Lichtenstein (ausg. s. xx) übereinstimmen, dass X sehr wenig sachliche verschiedenheiten aufweist. Ueberhaupt glaube ich, dass aus der ganzen, mit grosser heftigkeit geführten untersuchung nur das herausgekommen ist, dass P und Č für die reconstruction der alten reime nach wie vor eine vorzügliche handhabe bieten, dass aber sonst im grossen und ganzen alle drei von einander unabhängige und gleich gute oder gleich schlechte recensionen sind. Denn das resignierende schlussurteil Kniescheks wird bestehen bleibon, dass wir wol nie im stande sein werden, das original Eilharts überall herzustellen, wenn uns nicht neues handschriftliches material zufliesst. Nur wo zwei quellen gegen die eine stimmen, da ist freilich wahrscheinlich, dass diese das ursprüngliche bewahrt haben.

Gehen wir nun unter diesen ungünstigen auspicien an die kritik unseres monologes, so ist sogleich die sehr energische forderung Kniescheks, 115 verse (X 2436—2551) zu streichen, die in Č fehlen, auf ein sehr bescheidenes mass herabzustimmen. Nur an folgenden stellen gehen P und C in der auslassung zusammen: X 2436-2438. X 2444-2457.) X 2464-2466 (frauwe Amûr). X 2539–2551. X 2480 ff. setzt die bearbeitung mit der anrufung der frauwe Minne ein. Es ist nun auffällig,

1) X 2458-2463 ist gegen den verdacht der interpolation durch P 48. 14-16 geschützt.

dass Č und P eine personification der liebe nicht kennen. P hat nur den liebesgott Cupido. Auch in X 2714, der einzigen stelle, in welcher diese personification in X noch begegnet, fehlt sie in P und Č. In den fragmenten des französischen originals (Michel, Tristan, London 1835-39, bd. 1) findet sich niemals l'Amors. Wol aber erscheinen diese namen Amor und Cupido in dem französischen Eneas: Amor v. 8655, Cupido v. 8630 (ausg. v. J. Salverda de Grave, Halle 1891). Ich glaube nun mit Lichtenstein (s. CXXXIX), dass Eilhart diese namen dem Eneas entnommen und überhaupt das ganze selbstgespräch dem dichter dieses epos nachgebildet hat. Durch diese annahme würden sich auch am leichtesten die vielen oft wörtlichen anlehnungen an die Eneide Heinrichs von Veldeke erklären, die ja eine bearbeitung des französischen Eneas ist. Dass nun die czechische übersetzung des Eilhartischen Tristrant diese namen Amor, Cupido fallen gelassen hat, kann nicht sehr wunder nehmen, da überhaupt die czechischen bearbeiter die zieraten ihrer romanischen originale abstreifen (Lichtenstein, Anz. fda. 10, 8). Die deutsche prosaauflösung aus dem 15. jh. aber hat vielleicht deshalb frauwe Minne verschmäht, weil das wort minne mehr und mehr die vergröberte bedeutung annahm und aus dem schriftdeutschen verschwand (DWb. 6, 2241). Ueberhaupt aber möchte ich auch den sonstigen auslassungen von P und Č bei ihrem durchgehenden bestreben, gespräche zu kürzen, nicht den wert beilegen, dass ich glaubte, den echten text des monologes durch beseitigung dieser stellen widerhergestellt zu haben, vielmehr werde ich in der folgenden arbeit das ganze selbstgespräch berücksichtigen und nur an die betreffenden stellen das zeichen ? setzen.

Ich gehe nunmehr an die vergleichung der epischen und lyrischen monologe heran. Es finden sich zuerst wörtliche übereinstimmungen der lyriker mit

a) Eilhart und Veldeke: Eilh. 2400*): Veld. En. 2294: Reinm. 187, 11* (Burdach a.a.o. s. 120), dazu kommt Eilh. 2591* der lip ist mir só lip, so ist er mir auch lip (s. P 49, 6), vgl. v. 7564. 8825. 9036 — Veld. 2262 de mir liever was danne mînes

1) Die mit einem * versehenen zahlen beziehen sich auf stellen aus den liebesmonologen selbst.

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selves lif Haus. 54,18* der mir ist alsam der lip; Eilh.8839 sie ist mir vor al die werld lip Veld. 12720 die mir es vor alle wif Haus. 54, 34* ich solte im sin immer liep für alliu wîp; vgl. 43, 14 (solche wendungen treten im minnesange zuerst mit Hausen auf, vgl. R. M. Meyer, Zs. fda. 29, 157). Eilh. 2361 si wordin ... = beide bleich unde rót Veld. 10057 si wart bleich ende rót (10509 ff.) Reinm. 178, 31* bleich und eteswenne rót, alsó verwet ez diu wip.1) Eilh. 2490*. Veld. 10295*. Reinm. 161, 31. Mor. 133, 12. Walth. 116, 35. 99, 1 wird vom nahen der liebe das verbum bestán gebraucht, das sonst im minnesange nicht weiter vorkommt.

=

b) mit Eilhart: v. 2528*. 2586 Reinm. 192, 38* (Burdach s. 120). Dazu kommt v. 609 swes her zem rehte begert, Haus., MF. 55, 3* des ist er von mir gert, vgl. 44, 8; ähnlich Hartmann er ist alles des wol wert des ein

des wird er alles gewert gewert alles swes sin herze im frauenmonolog 216, 22* man ze wîbe gert; Walth. 44, 8 der mac erwerben swes er gert; Eilh. 9159 daz sie gerne tæte swes sie der helt bæte

=

Walth. 113, 34* dem enmag ich nicht versagen mê des er mich gebeten hât. Eilh. 8841: ich gan doch niman gûtis baz

der man ... der ir baz heiles gan.

=

c) mit Veldeke: v. 10108*

=

=

Haus. 49, 26

Haus. 54, 23* = Reinm. 187, 11. Veld. En. 271, 10 (ausg. von Ettmüller: Behaghel tilgt den vers) Haus. 54, 3* (Burdach s. 120). Dazu kommt Veld. 10071* we hát mir sus gebonden min herte in korten stonden Haus. 52, 14 min stæte mir nu hât daz herze alsó gebunden: diese verbindung findet sich im minnesange überhaupt nur bei Hausen. Veld. En. 10233* des es min herte vele swâr = Haus. 51,3 dést mînem herzen swære; Veld. En. 10322* ich weit wale dat mir ware vele beter gedán ... dan ich min herte skeide van Turno só verre = Haus. 54, 32* und ich daz herze mîn von im gescheiden niht enkan. Diese phrase kommt nur noch vor Gutenb. 72, 34 und Fenis 83, 10.

Veld. En. 10185* minde ich mê dan einen, so enminde ich enheinen (vgl. 10222 ff.) Johannsd. 86, 5 solde ich minnen mér

1) Aehnlich schon Kaiserchron. 2799 (Edw. Schröder). Nib. 284, 4 (vgl. Uhland, Schriften3 403); die rote farbe ist es allein bei dem Kürnb. MF. 8, 21. Mor. 134, 10. Reinm. 176, 32; die kranke farbe bei Veld. En. 9836 und MF. 67, 23.

den eine daz enwære mir niht guot, sône minnet ich deheine. Aehnlich bei Walth. 86, 19. 51, 11 (Burdach s. 149). Veld. En. 10096* wan sint ... ich den helet lussam alre êrste gesach, des ich vergeten niet enmach Rugge 106, 19* sit ich sin kunde alrêrst gewan, son sach ich u. s. w.

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Veld. En. 10855 nu doe dorch

den willen min = Reinm. 178, 5* nu sage im durch den willen min. Veld. En. 10858 lieve friunt Reinm. 178, 1* lieber bote. Veld. En. 10856 des ich dir iemer holt wel sin Reinm. 178, 23* daz ichs immer lône dir.1)

Veld. En. 10173* wat luste mich deich hen gesach, dat ich nu wale spreken mach, wan et moeste also geskien 193, 18* ja zürne ich âne not: ez solte eht sin.

Zur syntax (Burdach s. 56 ff.).

=

Reinm.

Die beiden epen Eilharts und Veldekes zeigen gerade in den frauenmonologen schon eine entwickelte syntax.

1) Causalsätze. In dem selbstgespräch der Lavinia kommt diese satzform 11 mal vor (10092.* 10096.* 10107.* 10143.* 10148.* 10162.* 10175.* 10270.* 10294.* 10316. 10359*). Im monologe der Isalde begegnen uns deren 8: v. 2432.* 2515.* 2519.* 2523.* 2566.* 2573.* 2574.* 2591.* In den lyrischen monologen finden sich an folgenden stellen causalsätze: Haus. 54, 30.* Reinm. 168, 1.* 193, 3.* Hartm. 216, 17.* 19. 217, 35.* Walth. 114, 17.*

2) Consecutivsätze. Eilhart wendet diese form oft an: v. 2409.* 2441.* 2449* (?). 2457.* 2491.* 2500.* 2503.* 2508.* 2553.* 2562.* 2569.* 2579.* Dagegen gebraucht Veldeke diese satzform in einem 128 verse mehr zählenden abschnitte nur einhalbmal so viel: v. 10174.* 10189.* 10190.* 10192.* 10218.* 10229.* In seinen beiden lyrischen monologen überwiegen freilich noch diese sätze: MF. 57, 15. 16. 20. 23. 31. 58, 9. 10. 67, 20. Im frauenliede Hausens begegnet nur 54, 38* ein solcher (im übrigen vgl. Burdach s. 57).

1) Diese letzten stellen aus Reinmar gehören alle dem längeren frauenliede an, welches an einen boten gerichtet ist und womit Reinmar im minnesange eine besondere stellung einnimmt. Aber es scheint doch, dass er eine ähnliche situation in Veldekes Eneide zum vorbilde nahm. Auch in Eilharts Tristrant v. 7161–7187 haben wir gewissermassen ein solches botenlied, doch habe ich keine ähnlichkeiten mit Reinmar entdecken können.

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