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durchführt, wird man wol schwerlich eine widerholung der gedanken nachweisen können. Der inhalt ist mit einer gewissen logischen genauigkeit dispositionsartig abgehandelt. Str. 1: ich liebe. Str. 2: ich hatte die wahl zwischen freundschaft und liebe gehabt. Str. 3: aber die letztere habe ich gewählt, denn str. 4: mein geliebter verdient es. In dem dritten frauenliede (MF. 217,* 14 ff.), der wehmütigen klage über den verlorenen geliebten, herscht wider ein bunter wechsel der gedanken: 1) der verlust des geliebten mannes (217,* 19. 28); 2) die trauer darüber (217,* 16. 31. 38); 3) preis des geliebten (217,* 20. 26. 218,* 4); — 4) erinnerung an die frühere, schöne zeit der liebe (217,* 22. 218,* 2).

Vielleicht am kunstvollsten ist diese widerholung der gedanken in Walthers frauenlied 113,* 31 ff. durchgeführt. Das ganze gedicht besteht aus zwei strophenweise sich abwechselnden gedanken: der entschluss der liebesgewährung (str. 1. 3. 5) kämpft mit dem hangen und bangen vor demselben (str. 2. 4).

Parenthese.

Ueber Eilhart s. Lichtenstein S. CLXXX, über Veldeke s. Behaghel s. cxxx, über den minnesang s. Burdach s. 104 f. 116. 123, über Walther ausser Burdach noch Wilmanns ausg. s. 67. Eine anticipierende parenthese, die im minnesange vor Reinmar ohne beispiel ist, findet sich schon bei Eilhart v. 4562* swer nu sulchin hunger ein jâr solde lîden ich kan des nicht vorswigen he muste wesin hungers tôd, vgl. Reinm. 109, 11: dô rieten mîne sinne daz (des ich enkeinen trôst mir kan gegeben) daz ich die sorge gar verbære; 170, 13. 181, 33. 192, 37*. Walther 95, 32.

Personification.

Eilhart scheint der erste gewesen zu sein, der frauwe Amûr (2464?), Cupido (2467) und frauwe Minne (?) in die literatur eingeführt hat (Lichtenstein S. XLXVII). Bei Veldeke erscheint noch Venus und statt frauwe Amûr in strengerer anlehnung an das franz. original Amor.) Im minnesange findet sich die personification der minne zuerst bei Hausen (52, 37 u.ö.), wenigstens schreiben Lachmann und Haupt zuerst

1) Misverstanden bei Veld. En. 10156: der minnen got Cupido end Amor sin broeder.

das wort gross.) Freilich lieben die lyriker die fremden namen Venus, Amor, Cupido nicht. So viel ich sehe, kommt Amor zuerst bei dem Tanhauser (MSH. 1, 886) und dem Wilden Alexander (MSH. 1, 365a), Venus und Amor bei Konrad von Kirchberg (MSH. 1, 24 a) und Rudolf von Rotenburg (MSH. 78b) vor. Wilmanns (Leben Walthers s. 328) erklärt das fehlen der fremdwörter überhaupt wol mit recht daraus, dass die sänger einen grösseren zuhörerkreis hatten als der vorleser der epen, die für ein auserleseneres publicum gedichtet waren, an das höhere anforderungen gestellt werden konnten. Dennoch aber stehen die lyriker hinter den epikern an lebendiger ausmalung der allegorie keineswegs zurück: 1) die Minne herscht gleichsam als königin über die ganze welt 2): Eilh. 2514.* 2537.* Veld. En. 10285.* 11160.* Walther 56, 12, vgl. 41, 1.

2) Sie erscheint als kriegerin mit pfeil und bogen: Veld. En. 10036.* 11198.* Walth. 40, 35 f., vgl. 40, 32. 3) Sie verwundet: Veld.

En. 10159.* 11201.* Walth. 41, 2. Fenis 82, 3.

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4) Sie heilt aber auch: Veld. En. 10266.* Walth. 41, 2, vgl. Hartm., 1. büchl. 1269 und Reinm. 185, 16. 5) Sie benimmt den sinn: Eilh. 2491.* 2539?* Veld. En. 10154.* Johannsdorf 94, 25. 6) Sie bestürmt das herz wie eine burg: Eilh. 2489.* Reinm. 161, 31. Walth. 55, 10. 7) Man begibt sich in ihren dienst: Eilh. 2521.* Veld. En. 10252.* Walth. 58, 18. 8) Der liebende ruft sie3) an und klagt ihr seine not4): Eilh. 2516.* vgl. 2530. 2536.* 2543* (?). 2547* (?). Veld. En. 10262*, vgl. Herb. v. Fritzlar 874.* Veld. MF. 66, 9. Fenis 82, 2. Walth. 14, 11. 41, 5. 55, 15. 109, 25. 27. 9) Wenn aber die hilfe ausbleibt, beschwert man sich über sie: Eilh. 2488.* 2510. Veld. En. 10258.* 10290. Haus. 49, 35. 53, 23. Walth. 41, 10.

1) Dietm. 32, 7: owê minne, der dîn âne möhte sin, daz wæren sinne: hier läge es allerdings wegen der anrede nahe, an eine personification zu denken.

2) Die vorstellung ist schon angedeutet Kaiserchron. 141, 21 umbe die minne ist ez aber sô getân, da ne mac niht lebendiges gestân, vgl. Hausen 52, 37 f. 53, 30.

3) Gott wird um hilfe angerufen Eilh. 2398*. 2439*. Veld. MF. 63, 20. Johannsdorf 92, 14. Hartm. 116, 5.

4) Walther gestaltet diesen zug zu einem anschaulichen bilde, indem er frau Minne als richterin einführt, vor deren richterstuhl der dichter sein recht sucht, vgl. 40, 27 ff.

Reinmar und Hausen bieten fast gar nichts, und das hängt wol mit ihrem sonstigen mangel an bildern zusammen. Auffälliger aber ist, dass Morungen auch die personificationen der liebe verschmäht: freilich überträgt seine kühnere sprache die anschaulichen wendungen auf die geliebte selbst.

Zerlegung der persönlichkeit.

Ueber die anrede an herz und mut vgl. Burdach s. 120. Das herz wird der torheit und der verräterei bezichtigt: Veld. En. 2198 ff. Rietb. 19, 33. Haus. 49, 15; vgl. Veld. MF. 56, 7. Fenis 82, 23. Rugge 101, 31. Bernger 114, 3. Mor. 125, 3. 134, 6. 147, 5 ff. Hartm. 205, 10 ff. Das herz weilt bei dem geliebten: Veld. En. 10378.* Haus. 51, 29 ff. 54, 32.* Johannsd. 87, 15 ff. Reinm. 159, 19. Bernger 114, 35. Hartm. 215, 30. Walth. 44, 17. 98, 9. 44, 15.1)

Bilder, vergleiche, metaphern.

Bilder, vergleiche und metaphern findet man in den epen Eilharts und Veldekes nicht sehr viele (s. Lichtenstein S. CLVIII f. Behaghel s. CXXXIX). Im Eilhartischen liebesmonolog kommen zwei vergleiche vor, welche im minnesange keine parallelen haben. Eilh. 2434* he ist lûter ... alse daz golt ist vor daz blî, ähnlich in volkstümlichen epen Ortnit 1, 15. Rol. 148, 15. Eilh. 2462* nu is sie (die Minne) mir leider wordin swêre unde als ein ezzich sûr Veld. En. 10248.* Veld. En. 10248.* Aber Eilh. 6462 und 6514 wird die geliebte mit der sonne verglichen. Dieser vergleich, der allerdings volkstümlich ist (Spervogel 24, 4. Nib. 280, 1) und in der geistlichen poesie (V. d. hochzeit, s. QF. 12,52) nicht selten vorkommt,2) begegnet auch bei den minnesängern: Dietm. 40, 93. Mor. 138, 38; vgl. 123, 1. 144, 27 u. ö. Walth. 46, 15.

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Veld. En. 10279*3): sint dat ich dir dienen sal, so moet ich swâre borde dragen, vgl. v. 11110. Dieses bild findet sich im minnesange nicht selten: Veld. MF. 56. 8. Rugge, 107, 7. Reinm. 201, 16. Bernger 113, 8. Walth. 69, 15.

1) Die gesonderte existenz des herzens ist schon deutlich bei Dietmar v. Eist 34, 6 ausgesprochen: dô huop sich aber daz herze mîn an eine stat dâz ê dâ was.

2) Schon bei Plautus Menaechmi 1, 2, 66: eapse eccam emit: ah solem vides satin ut occaecatust prae huius corporis candoribus.

3) Vielleicht schon bei Eilh. nach X 2505*, auf grund von P. 48, 7. Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

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Die in der modernen liebesdichtung so beliebte und häufige metapher von dem feuer der liebe begegnet auffälligerweise in der mittelalterlichen minnepoesie äusserst selten. Zuerst erscheint sie im epos bei Veld. En. 10114*: met den heiten fûre brennet mich frouwe Vênus, und zu diesem bildlichen ausdruck gehört auch das verbum derren (v.10126*) und switten (v. 10257* u. ö.). Moritz v. Crâon (v. 322) und Herb. v. Fritzlar (v. 646. 672) haben diese metapher von Veldeke übernommen. Im ganzen minnesange aber existiert, so viel ich sehe, nur bei Rietenb. 19, 19 etwas ähnliches.

Epische züge.

Die unterbrechung der rede durch eine epische formel findet sich sehr häufig in den epischen frauenmonologen: Eilh. 2467.* 2551.* 2587.* Veld. En. 10117.* 10191.* 10271.* 10395.* 10775* u. ö. Es ist, als ob diese einschnitte in die langen selbstgespräche uns eine pause in dem sprach- und denkverlaufe der redenden veranschaulichen. Aufgeregt schreiten sie wortlos auf und nieder, bis endlich wider allgewaltig der gedankenstrom hervorbricht. Die grossen lyrischen frauenmonologe teilen diese epische eigentümlichkeit nicht, nur Veldeke, MF. 57, 12. Joh. 94, 35. Reinm. (?) 203, 11 haben diese formel beibehalten, welche in der älteren lyrik sich häufiger findet (Kürenb. 8, 16. Dietm. 32, 3. 39, 7 u. ö.). Ein epischer zug im altheimischen minnesang ist ferner das vorherschen der erzählung (MF. 34, 4. 8, 9. 33), nur selten enthält ein gedicht reine empfindung, sondern gewöhnlich wird sie erst durch einen äusseren vorgang hervorgerufen, und der gegensatz zwischen der scheinbar ruhigen erzählung und dem hervorbrechen des glühenden, warmen gefühls gibt diesen gedichten einen so eigentümlichen, unvergänglichen reiz. In einem schroffen gegensatz zu den frauenmonologen dieser zeit stehen die epischen monologe Eilharts, Veldekes und die der späteren lyrik. Es fehlt in ihnen zwar nicht an erzählenden momenten, aber sie betreffen vorzugsweise vorgänge im individuum selbst, und diese werden einer beobachtung unterzogen, eine rationalistische deutung und erklärung wird versucht. Viel öfter aber verlässt man den boden der wirklichkeit und beschäftigt sich lieber mit dem gedachten, möglichen, fraglichen. Walther

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ist es erst wider, der in seinem frauenmonologe (39, 11) mit anschaulicher situationsmalerei die begebenheit ruhig erzählt. Damit verbindet er freilich in wunderbar kunstvoller weise die errungenschaft der späteren lyrik, die entwickelung des gefühls, wie sich es bald mächtig erhebt, bald wider sich beschwichtigend in ruhige bahnen zurücklenkt. Ist nun auf grund jener kriterien eine anlehnung des altheimischen minnesanges an die epik nicht zu verkennen, so geht doch Brachmann a. a. o. s. 451 zu weit, wenn er sagt: 'so betrachten wir also die frauenstrophen als eine dem epos glücklich entlehnte form'. Denn das selbstgespräch lässt sich durchaus nicht, so viel ich sehe, aus vorangegangenen epischen monologen ableiten. Aber wenn sich auch wirklich solche in den epen fänden, so wäre das nur ein neues argument für die behauptung der priorität der lyrik vor der epik. Denn das selbstgespräch ist doch nur in einem lyrisch gehaltenen gedichte denkbar. Natürlich kann diese art der lyrik von der epik beeinflusst werden, zumal da die epik zuerst schriftliche fixierung fand. Anders steht es mit den sogenannten wechseln in der lyrik. Diese veranschaulichen einen auftrag und gegenauftrag an den boten, welcher den vermittler zwischen den beiden liebenden spielt, und das ist ein motiv, das schon in den alten epischen dichtungen sich findet (z. b. Rother v. 1926 ff.).

Aehnliche anschauungen und gedanken.

im liebesleben.

1) Die liebe ist etwas seltsam - wunderbares: Eilh. 2495.* Veld. En. 10065,* vgl. Herb. v. Fritzlar 856.* Haus. 53, 15. 52, 17. Walth. 83, 3 u. ö.; 2) man hat vorher ähnliches nie kennen gelernt: Eilh. 2493,* vgl. 2458.* Veld. En. 10067* u. ö. Haus. 54, 3.* 42, 12 u. ö. Rugge 102, 1. Reinm. 192,* 29 u. ö. Walth. 109, 12; - 3) man ist immer in gedanken mit dem geliebten gegenstand beschäftigt: Eilh. 2568.* 2606. Veld. En. 1344. Haus. 46, 15 u. ö. Rugge 99, 36. Joh. 88, 4; 4) auf die umgebung achtet man nicht: Veld. En. 10459.* Reinm. 163, 19. Walth. 41, 37; 5) man fragt nach dem natürlichen grunde der liebe: Eilh. 2412.* 2439.* 2456* (?). 2552.* Veld. En. 10173.* 10129.* 10228.* Haus. 46, 18. Reinm. 163, 32. Mor. 136, 1; 6) man hat den mut nicht, die liebe zu gestehen: Eilh. 2588.*

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