Page images
PDF
EPUB

sich nach Behaghel, Deutsche spr. s. 100 daraus, dass die beiden conjunctionen zur bezeichnung des gegensatzes dienen. Zahlreiche nachweise der vermischung bietet Lexer im DWb.1)

Die mundarten nun, die ewer für 'aber', für 'oder', für 'aber+oder' aufweisen, sind noch weiter gegangen: sie haben ëd(d)o (mhd. vereinzelt ëde, md. [Lexer 2, 140] nd. eder) und aber contaminiert. Das e von edo ist also in ewer, eber u.s.w. erhalten wie in nnd. edder (Tümpel, Niederd. studien s. 18).

[ocr errors]
[ocr errors]

Als mischung von aber und oder ist wol auch das in der älteren sprache und auch heute noch hie und da begegnende md. ader 2) (teils 'aber', teils 'oder') zu betrachten; auch ado in der Exhortatio ad plebem christianam, MSD.3 54, 13, athe'oder' im Trierer capitulare. Kaum zu bejahen ist die frage, die ein zusatz im neudruck von Grimms Grammatik (3, 264) stellt: 'erklärt sich aus oder aber das provinzielle mhd. ader (= aber)?'

Ahd. abo, abe (vgl. Seemüllers glossar zu Williram), mhd. abe (Lexer 1, 11, dazu J. Meier, Iolande 18, fussn.) verdankt wol den endvocal dem einfluss von edo, odo, ode. Obir, ober, obe, ob'oder' (vgl. J. Meier und Sievers a. a. o.) zeigen beeinflussung durch aber.

Und schliesslich hat nhd. oder sein r von aber erhalten.3) Die wörterbücher pflegen die wahl zu lassen zwischen 'comparativischer weiterbildung' und einfluss von weder. Die erste erklärung erscheint mir unmöglich, unter einer comparativischen weiterbildung von odo kann ich mir nichts denken. Die zweite ist unwahrscheinlich: oder wird doch gewis öfter in verbindungen wie er oder du gebraucht als mit (ent)weder.

2) Vgl. noch besonders die formen in der Iolande (worauf mich herr geheimrat Behaghel hinweist) bei J. Meier, einl. s. 17 ff., und E. Sievers, Oxforder benedictinerregel, Tübinger decanatsprogr. 1887, einl. s. 9.

1) Damköhler, Germ. 33, 480. Grimm, Gr. 33, 264. Lexer 1, 21. Schweiz. id. 1, 89. 97. J. Meier, Iol. 18.

8) Od noch im jahre 1588 in der Schweiz (Schweiz. id. 1, 97).

DARMSTADT, 3. dec. 1898.

WILHELM HORN.

MISCELLEN.

I. Zu Wolfram.

1. Bei Wolfram finden sich bekanntlich reime wie (ge)stuont: kunt, stuonden: kunden, sun tuon, stüende: künde in grosser zahl (s. San Martes Reimregister s. 108. 110 f.). Lachmann schreibt sie, um reine reime herzustellen stuont: kuont, suon tuon u. s. w. Ob mit recht soll unten erörtert werden.

Reime wie z. b. hurte fuorte 600, 3 oder gefuort: hurt 444, 13 können zur erklärung nichts beitragen, da sie unter die lautregel fallen, dass i und u vor r diphthongiert werden, so dass tatsächlich in vielen teilen Deutschlands z.b. gesprochen wird nuǝr, uər ('nur', 'uhr'). Das gleiche ist bei i der fall, z. b. 'wir' gespr. wior, wie denn auch Wolfram bekanntlich oft ir ier reimt.

Es bleiben somit, abgesehen von den reimen wie nû : zuo (San Marte s. 109) und vereinzelten andern beispielen nur solche fälle übrig, in denen auf den vocal u bez. uo in der gleichen silbe ein n folgt, und zwar sind diese reime auf alle bücher des Parzival verteilt, können also nicht mit Behaghel, Germ. 34, 487 f. als mittel zur entscheidung darüber dienen, ob die bücher in denen sie sich finden, vor, während oder nach dem aufenthalte Wolframs in Thüringen entstanden sind, wie schon W. Hoffmann, Der einfluss des reimes auf die sprache Wolframs, Strassb. 1894, s. 26 und L. Grimm, Wolfram von Eschenbach und die zeitgenossen, Leipzig 1897, s. 60 ausgesprochen haben.

Ist aber Behaghels annahme, dass jene reime auf thüringischen einfluss zurückzuführen sind, überhaupt richtig? Und ist es andrerseits gerechtfertigt, die reinheit der reime dadurch herzustellen, dass man die u-formen durch solche mit uo ersetzt?

Wenn wir die zeitgenössischen werke aus Wolframs näherer heimat betrachten, so finden wir, dass auch der mit Wolfram am nächsten benachbarte mhd. dichter, der Winsbeke, das reimpaar sun tuon hat, und zwar gleich im eingang (1, 1 und 3), während der andere mhd. dichter den wir einen engeren landsmann Walthers nennen können, Wirnt, solche reime nicht kennt. Er reimt derartige formen immer rein, z. b. Wigalois (Pf.) 14, 27. 39, 40 stuont: tuont, 81, 20 bestuont: tuont. Da nun aber Wirnts heimat Gräfenberg fränkisch ist, diejenige Wolframs dagegen ebenso wie Windsbach in dem gebiete desjenigen dialektes liegt, der als eine übergangsstufe zwischen bairisch und fränkisch zu betrachten ist, so mag es gestattet sein, die erklärung durch ein analogon in einer neueren mundart zu suchen, und zwar in der meiner vaterstadt Nürnberg, welche ja das typische beispiel einer übergangsmundart zwischen bairisch (speciell oberpfälzisch) und ostfränkisch darstellt, indem ihr vocalismus noch heute rein oberpfälzisch ist, während der consonantismus (der noch zu Grübels zeiten ein stark bairisches gepräge gehabt zu haben scheint) heute schon fast rein fränkisch zu nennen ist. In der Nürnberger mundart findet sich nun eine fast vereinzelte form, die den schlüssel zur lösung unserer frage gibt, der infinitiv tų (mit nasalem ū) und daneben die seltene flectierte form ztuna (mhd. ze tuonne), für die allerdings, namentlich bei jüngeren, fast stets schon ztų gesagt wird. Vereinzelt steht die form deshalb, weil die anderen hier in betracht kommenden formen fast lauter praeterita sind mhd. stuont, stüende und das einfache praeteritum ind. in der mundart überhaupt nicht gebraucht wird, der optativ aber durch eine -t-neubildung ersetzt ist: steat (auch štěnǝt nach 1. 3. pl. praes. štěna). Das wort mhd. huon ist in der ma. durch putla ersetzt. Die unflectierte form grøį mit nasalem ei kommt nicht in frage, weil zu der zeit von der die rede ist, das -e von grüene noch nicht gefallen war, also n nicht zur gleichen silbe gehörte (es wurde grüene also erst greina, dann erst > grein > groį). Neben inf. tų, flectiert ztuna haben wir 1. 2. 3. sg. i tou, du toust, er tout, während der plural nach analogie von 'stehen' lautet mir (mər) těna, ir tět, si těna. Ueber die zeit, wann im oberpfälzischen uo zu ou, że und ie zu oi geworden sind, vermag ich nichts

[ocr errors]

zu sagen, auch sind in Wolframs heimat heute uo, ie und ie zu ū, ü, i monophthongiert, wie denn diese mundart heute ein durchaus fränkisches äussere hat. Da sich aber Wolfram selbst Parz. 121, 7 einen Beier nennt, so können wir gewis annehmen, dass die mundart seiner heimat damals in der hauptsache bairisch war. Und wenn wir annehmen, dass sie etwa damals schon auf dem wege war, fränkisch zu werden, so können wir um so mehr einen vorgang auf sie übertragen, der sich heute in einer mundart abspielt, welche eben heute auf dem wege ist, aus einer bairischen zu einer fränkischen zu werden. Die reime sind also, wenn wir nicht die lesart der hss. beibehalten oder nach dem mustermhd. normalisieren wollen, nicht mit Lachmann suon tuon u. s. w., sondern vielmehr sun: tun zu schreiben, und zwar mit kurzem u, nicht mit û, denn *tún wäre ja heute nicht zu tų, sondern zu tay geworden. Weit entfernt, spuren thüringischen einflusses auf Wolframs sprache darzustellen, zeigen diese reime vielmehr, dass er, auch fern von der heimat, diese freiheit der heimischen mundart in seine dichtersprache herüberzunehmen sich nicht gescheut hat, wo es ihm um des reimes willen angenehm schien.

2. Parz. 702, 18 f. liest Lachmann: der sin (sc. schilt) was ûze unt innen zerhurtiert unt ouch zerslagen, obwol sämmtliche hss. ûzen oder eine nur graphisch davon verschiedene form, z. b. G uzzen, D uozen haben. Der grund zu seiner abänderung der lesart liegt auf der hand: durch einsetzung des elidierbaren ûze für das überlieferte úzen sollte die senkung auf eine silbe gebracht werden. Aber abgesehen von der überlieferung ist auch sprachlich ûzen die einzig richtige form. Der schild wird doch nicht ûze 'draussen' zerstossen und zerschlagen, sondern ûzen 'von aussen her'. Die participia haben doch stets den gleichen casus wie das verbum finitum, es steht also ebenso wie Parz. 560, 17 f. von fuoz ûf wâpent in dô gar diu süeze maget wol gevar, wo wir gleichsam sehen, wie vor uns die wappnung des ritters vor sich geht, indem er zunächst mit den füssen in die kettenhosen steigt und nach oben zu ein stück dem anderen folgt, bis ihm zuletzt der helm aufs haupt gesetzt wird, ebenso auch Parz. 120, 24 f. mit part. praet. pass. nu seht: dort kom geschûftet her drî riter nach wunsche var, von fuoze ûf gewapent gar.

Es spricht also in sprachlicher beziehung nichts gegen, alles für beibehaltung der handschriftlichen lesart, und zwar nicht zum mindesten auch der parallelismus mit dem folgenden innen, das ausser der überlieferung auch noch durch den reim (gewinnen innen) gesichert ist.

3. Parz. 230, 13. Wildenberc wird als Wolframs wohnsitz bezeichnet und für das jetzige Wehlenberg erklärt. Es ist dies ein weiler, aus zwei wohnstätten bestehend, 49° 9′ 50′′ n. b., 52' 20" westlich von München (nach der bairischen generalstabskarte). Doch halte ich für das richtigste, Wildenberc an der betreffenden stelle für nichts anderes aufzufassen als für ein wortspiel. Es ist vorher von der pracht und dem aufwande zu Munsalvæsche die rede gewesen. Nun ist aber doch wol anzunehmen, dass Wolframs kenntnisse des französischen ihn wol haben verstehen lassen, was sein Munsalvæsche, Mont sauvage auf deutsch heisst. Die worte hie ze Wildenberc u.s. W. sind m. e. so zu erklären: 'hier, auf meinem »Munsalvæsche«, meinem »>Wilden berg« geht es bescheidener her'. Er benennt seinen wohnsitz in selbstironie wie die gralsburg, um so den gegensatz noch mehr hervorzuheben. Ich glaube nicht, dass zwingende gründe dafür vorhanden sind, Wolfram als auf einem 'Wildenberg' wohnend anzunehmen.

II. Brausch.

In Nürnberg und seiner umgebung ist ein adjectiv gebräuchlich, welches brausch lautet und von denjenigen personen, deren beschäftigung den öfteren gebrauch des wortes mit sich bringt, durchaus nicht als mundartlich gefühlt wird. Es kommt meines wissens nur beim hopfen und beim holze vor. Hopfen ist brausch, wenn er zu rasch gedörrt ist, so dass die blättchen der einzelnen dolden nicht aufeinander liegen, sondern sich sträuben. Brausches holz ist nach der erklärung eines zimmermanns in Nürnberg des wou recht frech gwachsn is. dau sen sū groussi züx drin. dēs spalt si überzwerch, während es ein schreiner in Lauf an der Pegnitz erklärt hat: des wou recht frech gwachsn is. dau sen recht brāti gauǝrn drin. dēs bricht nauch der läng. Die 'grossen züge' und 'die breiten jahren' sind selbstverständlich das gleiche: recht grosse jahrestriebe, die in folge ihres raschen wachstums nicht kernig, sondern locker sind und deshalb, wenn sie zu

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

27

« PreviousContinue »