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2. 271-342: grund zur auflösung gibt mir die dame nicht.

a) 271-286: anblick fremden glückes (271

278) und die lockere auffassung anderer von der minne (279-286) könnten mich verleiten. b) 287-342: hätte ich grund, so löste ich es auf. Aber ich habe keinen: sie ist ohne falsch.

Auch sie soll aber geduldig sein und meinen schmerz teilen (302-342)!

III 343-406: also dauert das verhältnis zu meiner qual

weiter.

1. 343-380: ich werde zum spott der leute, weil ich fast verrückt geworden bin.

a) 343-360: mein verhältnis bringt mir gewis ehre.

b) 361-380: aber auch schande.

2. 381-406: meine ganze denkweise wird verkehrt. a) 381-395: der glückliche fürchtet den tod, b) 396-406: ich wünsche ihn.

Abschluss: die sachlage macht es notwendig, treu zu bleiben.

Gründe: a) von zwei übeln wähle das kleinere: also lieber treu und selig, als untreu

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I 451-580: eigene kraft vermag nichts dagegen.
1. 451-506: ich kann nicht verzichten.

a) 451-463: man verzichte auf das was man
nicht festhalten kann.

b) 464-476: sonst konnte ich es. Jetzt nicht. 2. 507-540: ich kann die liebe nicht übertäuben. a) 507-527: liebe vergisst man durch liebe. b) 528-540: bei mir schlägt das mittel nicht an. 3. 541-580: ich kann mich nicht bezwingen.

a) 541-557: ein starker mann muss sich beherschen können.

b) 558-580 ich werde den liebesgram nicht los. Weicht die huote nicht, dann endet nur der tod meinen gram (571-580).

II 581-643: alle erfahrungen werden an meinem fall zu schanden.

1. 581-614: keine freude auf leid.

a) 581-590: freude folgt auf leid; bei schaden

ist auch nutzen.

b) 591-614: bei mir ist es anders.

2. 615-643: ich habe selbst zum unglück gewählt. a) 615-626: wer teilt und wählt, kann nie

unglück haben; und doch geschieht es.

b) 627-643: ich habe unglück dabei gehabt. Offenbar ist alles im leben zufall und glückssache (636-643)!

III 644-752: ich peinige mich selbst mit zweifeln an der geliebten.

1. 644-673: sie ist vielleicht unbeständig.

a) 644-665: wenn sie nur beständig ist: b) 666-673: aber ‘aus den augen, aus dem sinn'. 2. 674-696: sie ist vielleicht leichtsinnig.

a) 674-685: wahre liebe vergeht nicht; b) 686-696: wenn sie aber leichtsinnig ist? 3. 697-752: die männer sind gefährlich.

a) 697-726: ehrgefühl und zurückgezogenheit werden eine untreue hindern.

b) 727-752: manneswerbung ist gefährlich und widerstand auf die dauer schwer.

Abschluss: 753-796: aber sie muss ja mit mir zusammenhalten, denn

a) 753-786: die unbeständige ist gott und

menschen verhasst; die brave wird geliebt. P) 787-796: es gibt nicht so viel treue männer wie ich einer bin.

Schluss: 797-810: ich bin also treu, sie sei es auch. Dann bleiben wir vereint.

Geleit. 811-826.

a) 811-820: anrede an das büchlein.

B) 821-826: heileswunsch an die geliebte.

Man sieht aus dieser disposition, dass die gliederung bis in die kleinsten unterteile hinein geht. Und zwar stehen die gruppen, wie Schönbach bemerkt, i. a. im gleichgewicht (s. 367).

A hat ungefähr 400 verse, B 345. Jeder dieser hauptteile zerfällt zunächst in drei unterteile (I. II. III) von verschiedenem umfang. Jeder dieser mit ausnahme von B I und III zerfällt in zwei kleinere teile (1, 2), und alle diese sind zweiteilig in ganz ausgesprochener weise (a—b).

Die teile A, B und I. II. III werden fast regelmässig durch einen ausruf oder einen allgemeinen satz abgeschlossen. Petitdruck macht sie kenntlich. Die schlüsse von A und B entsprechen einander. Dort wird aus der in I. II. III. geschilderten sachlage erwiesen, dass der liebende treu sein müsse. Hier werden die gründe dafür beigebracht, warum der geliebte nicht untreu werden könne. Die abschlüsse der teile I. II. III werden dazu benutzt, directe klagen oder mahnungen an die geliebte anzubringen. Ein besonderer schluss fehlt nur hinter A II, 1, doch sind die letzten verse 261-70 so gefasst, dass sie wie ein emphatischer abschluss wirken.

Welches der gedankengang des büchleins ist, zeigt die disposition. Man wird sich aus ihr davon überzeugen, dass Schönbach (a.a. o. s. 362 ff.) die folge der gedanken nicht zutreffend darstellt. Namentlich kann man nicht aufrecht halten, was er s. 366 erklärt, jedem satze folge eine replik, ihr schliesse sich eine duplik an, und so fort bis zu ende. Das gilt höchstens für B III, den teil in dem der dichter seine selbstquälerischen zweifel in geschlossener kette vorträgt: für die vorhergehenden stücke gilt es nicht. Auch von gesprächsform finde ich nichts in dem büchlein. Es ist ein brief, der freilich seiner anlage nach eigentlich abhandlung zu nennen wäre; diesen charakter verleugnet er wenigstens nirgends.

Die gedanken die den inhalt der A I 1, 2. II 1,2 u. s. w. bilden, werden meist so abgehandelt, dass ein allgemeiner erfahrungssatz vorangestellt und dann scharf dagegen widerspruch erhoben wird.

AI1 v. 53 ff.

ich hoere ie noch die wîsen
loben unde prîsen

volkomene minne

aber v. 90 daz hât sich nu verkêret ... und

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v. 98

AI2 v. 137 ff.

v. 145 f.

A II 1 v. 171-178

daz ist mir niht ze guote komen.
ich hôrte sagen mære

daz triuwe und state wære

aller sælden beste ...

ich wirdes anders gewar.

ez lebent wærlîche

vil harte ungeliche

sanfte in ir muote

der tôre und der fruote ...

und das ist recht. Dies wird in woldisponierter darstellung bewiesen. 180-204: der fruote, 205-211: der tôre. Nun die pointe von 1a: 212-240 ich bin weder ganz fruot noch ganz tôre, möchte zuweilen aber lieber tôre sein. Aber mit 241 kommt die wendung vor dem tôre werden schützt mich die

hoffnung, u. s. W.

A II 2 (v. 271 ff.) bringt zunächst wider allgemeine erörterungen über den treuen und untreuen. Mit v. 293 ff. setzt die abwehr solcher gedanken ein.

Diese gewohnheit, seine gefühle im anschluss an allgemeine erfahrungssätze zu schildern, erklärt auch, weshalb der verfasser des liebesbriefes so häufig aussprüche der wisen und sprichwörtliches heranzieht. Namentlich bedingt es die anlage von B II, dass die wisen hier oft auftreten. Denn dieser teil soll ja zeigen, dass die allgemeinen erfahrungen im falle des dichters nicht zutreffen. Dass bei dieser berufung auf die kundigen eine ziemliche belesenheit des dichters in der literatur seiner zeit hervortritt, ist nicht verwunderlich. Zu den von andern und mir beigebrachten parallelen trage ich hier noch nach

Büchl. 477 ff. sît nu die wîsen haben geseit ..

daz sich ein wol frumer man

alles des getræsten kan

des er niht gehaben mac.

Vgl. dazu Wigalois 35, 23 ff.:

dô teter als der biderbe man

der sich des wol getræsten kan

swes er niht gehaben mac.

Während bis B II die darstellung mehr ruhig ist, wird in B III die bewegung lebhafter. Das erreicht der verfasser

durch die schon H. v. Aue s. 59 erkannte engere verbindung der unterteile. Ganz wirksam, um die darlegung zu beendigen.

Oben musste Schönbachs ansicht abgelehnt werden, als sei das werk nachbildung der gesprächsform. Mehr trifft es zu, wenn er s. 366 findet, das büchlein sei ein mit lebhafter beredsamkeit vorgetragenes plaidoyer. Der dichter fühlt sich zwar durchaus in der lage eines schreibenden vgl. v. 121 für war ouch ich daz schribe - aber das ganze ist doch stark rhetorisch gefärbt. Nun verrät die ganze anlage der arbeit gute dialektische schulung; offenbar hat der verfasser gelehrte bildung. Darum liegt nahe zu vermuten, dass im II. büchlein versucht ist, eine beim studium der rhetorik und dialektik erworbene fertigkeit im disponieren und vortragen auf ein thema der minnepoesie anzuwenden. Ich möchte in der tat glauben, dass der liebesbrief nach den regeln der schule gearbeitet ist, die man aus Cicero und Quintilian kennen lernte. Kenner der mittelalterlichen rhetorik und dialektik werden das vielleicht im einzelnen nachweisen können. Wir haben die bekannten drei teile: exordium, tractatio und conclusio. Die tractatio ist zweiteilig: A mit seiner positiven erörterung eine art confirmatio, B im charakter mehr der refutatio vergleichbar. Im exordium fehlt nicht das principium (1—13), in der conclusio nicht die peroratio (811 ff.).

Auch die zahlreichen antithesen passen sehr gut zu dem rhetorischen wesen des gedichtes. Nicht minder die eingewebten citate, die sehr oft als belege oder zierphrasen aus auctores locupletissimi verstanden werden müssen und nicht schlechthin als selbstwiderholungen oder zufällige reminiscenzen gedeutet werden dürfen.

Wie dem nun auch sei, jedenfalls zeigt diese tatsache, dass der verfasser des büchleins zwar ein gebildeter und belesener mann, ein scharf denkender und origineller kopf war, aber kein dichter. Von poesie ist in dem werk wenig zu spüren, desto mehr aber von witz und dialektischer gewantheit. Der ausdruck der empfindung ist gemacht. Wirkliche leidenschaft und wärme des gefühls gibt es darin nicht, dafür rhetorisch zugespitzte wendungen und geistreiche oxymora. Versucht aber der verfasser zum gemüt zu sprechen, dann wird er sentimental (z. b. 403 ff.). Ich muss also trotz Schön

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