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p. Cod. pal. germ. 342 auf der universitätsbibliothek zu Heidelberg. Papier. 15. jh. 124 bll. Vgl. K. Bartsch, Heidelberger hss. no. 170.

Die hs. enthält das Buch der märtyrer. Zwischen der legende der Maria aegyptiaca und dem evangelisten Marcus steht unter dem titel der Passion auf bl. 416—64d das Evangelium Nicodemi, und zwar die verse 369-3790, an die sich 6 schlussverse anschliessen. Vgl. J. Haupt, Das mhd. buch der märtyrer, WSB. 70, 101 ff. Daselbst sind auch die verse 369 f. und 3790, 3-6 abgedruckt.

Der vocalismus von p zeigt ein eigentümliches schwanken: ei für erscheint zwar häufig, eu für iu wenigstens im pron. der 2. pers., aber trotzdem überwiegen î, iu, und û ist geradezu regel. Der alte diphthong ei wird meist so, seltener ai geschrieben. So viel ist klar, dass nach der entstehungszeit der hs. dieser lautstand keinem der in betracht kommenden oberdeutschen dialekte entspricht: im bairischen war die diphthongierung damals schon ganz fest, ebenso war sie im schwäbischen zwar noch nicht herschend, aber doch schon ziemlich heimisch (vgl. Bohnenberger, Zur geschichte der schwäbischen mundart im 15. jh. s. 62 ff. 91 ff.). Wir haben uns also eine dialektmischung zu denken, die dadurch zu stande kam, dass ein Alemanne nach bairischer vorlage schrieb und deren ei, eu zum teil acceptierte. Gegen die umgekehrte annahme sprechen die schon bei G und s geltend gemachten erwägungen. Ueberdies zeigt die hs. in wesentlichen punkten nichtbairischen charakter: es fehlt z. b. ch für k fast ganz. Auf keinen bestimmten dialekt unter den oberd. weisen hin das fast stets erhaltene mb (tump 493, umb 1753), epenthese von p zwischen m und t: nempt 1449, zimpt 923, kompt 2872. 3060, dimpten (= dinten) 2832, und anlautendes p: perg 1359, prot 468, erpidmet 2195. 2596. Bestimmt alemannisch ist dagegen au für â: gewauffnet 854, slauffe 926; dasselbe ist nicht nur schwäbisch, sondern in ganz Alemannien beliebt (vgl. Weinhold, Al. gr. § 52. 96). Ebenso ist alemannisch die endung -ent der 2. pers. pl. v. 569. 1121. 1451. 2756 u. a.

Enger begrenzen dürfen wir aber die heimat des schreibers wol auf das nördliche Elsass1) wol schon sehr nahe dem süd

1) Dass für â oft eintretende ô, das im elsässischen des 14. jh.'s fast

fränkischen gebiet. Zu diesem schlusse berechtigen uns mehrere vocalische erscheinungen: 1) die vertretung von altem ou, das oft als â, aber auch zu au umgelautet erscheint, während andererseits umgelautetes ou auch durch ä widergegeben wird; vgl. hapt 897. 946. 1459. 1521. 1907. 1915, gelaben 898. 1007. 1652. 1846, urlabez 1202, verkaf 528, verlagnen 814. 519, läuf 390, geläuft 391, frät (= freut) 3317, fräten 2750, fräden 3583. Auf einem misverstehen eines in der vorlage stehenden neuen diphthongen au (<û) müssen formen beruhen wie kam (= kûm) 2554. 2577, lattern 1347, lássen (= lúzen) 3255. Dies äu, ä ist vorläufer eines ê, das heute im südlichsten teile der linksrheinischen Pfalz bis zu einer linie Sondernheim - FreisbachEdenkoben allgemein gilt (weiter nördlich herscht â) und ebenso an der elsässischen grenze um Lauterburg (vgl. Heger, Dialekt der Südostpfalz, Landauer programm 1896, § 54 und karte). In dieses zweite gebiet könnte unsere hs. fallen. Dazu würde auch passen: 2) die erhaltung von ô als monophthong und die schreibung e für ce in ze hende (hanede). Beides liesse nach den heutigen verhältnissen auf die gegend südlich einer linie Jochgrim-Bergzabern schliessen, da nördlich von dieser ô zu ou und a zu ei geworden ist (vgl. Heger § 11).

Ferner wird im norden die heimat begrenzt durch die linie pf/p, da unserer hs. sicher pf zukommt; p ist auf porten beschränkt. Diese linie zieht nach Heger § 55 etwa von Neuburgweier nördlich an Weissenburg vorbei nach Bitsch (vgl. Wrede, Anz. fda. 19, 103). Doch ist darauf bei dem conventionellen schreibgebrauch von pf auch in gegenden wo p herscht, kein besonderes gewicht zu legen (vgl. auch Böhme a. a. o.).

Dem so gewonnenen gebiet entspricht es auch, wenn neben -ent als endung der 2. pers. pl. auch -en erscheint: hetten 1336. Das dem elsässischen sonst eigene anlautende d (= germ. d) fehlt der hs. allerdings; das ist wol auf rechnung der vorlage zu setzen.

ausschliesslich herscht, ist auch in anderen dialekten häufig, also zu irgend welcher localisierung nicht brauchbar.

W. Perg.-hs. der Wiener hofbibliothek no. 19681 (suppl. 2560). 14. jh. 14, 324, 1, aber grossenteils oben oder unten beschnitten. Auch der rand ist vielfach beschädigt, wodurch viele versanfänge und schlüsse verloren gegangen sind. Erhalten sind uns nur 16 blätter, die in zwei columnen zu je 35 linien beschrieben sind. Die anfangsbuchstaben der verse sind über die ganze seite rot durchstrichen. Mittelgrosse rote und grüne initialen. Rote überschriften.

Die hs. enthält eine compilation des Ev. Nic. mit bruder Philipps Marienleben. Das uns erhaltene stück enthielt ursprünglich folgende partien des Ev., die in [] eingeschlossenen verse sind durch beschneiden verloren gegangen. Zur ergänzung füge ich auch die verse des Marienlebens (M) hinzu. M 6577-6697. EN 679-698. 701-714. 721-732. 735-1151 [986-993. 1021-28. 1056–62. 1091–97. 1126— EN 1153-1414 [1162-69. 1197-1204. 1232-39]. M 6738-39.

1133].

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1425-1444.

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M 6930-6947.

EN 1415-1424.

M 6748-49. - EN

M 6768-6783. 6804-6927. EN 1464-66.
EN 1522-1570 [1529-31. 1564-66].

M 6976-7112. EN 643-652. M 7116-17. 7120-7137. 7844-7949 mit lücken.

2331]. - M 7950-7975.

EN 2269-2334 [2293-96. 2329

EN 3132-3330 [3166. 3201. 3237]. 3334–3412. 3563-3713 [3634. 3671. 3706]. 3715—3790 [3775]. 3791-3819. 3821-3846. 3987-4258 [4103. 4123-24. 4157— 4158. 4193]. Vgl. J. Haupt, Bruder Philipps Marienleben, WSB. 68, 198 f. Daselbst ist abgedruckt ein stück von M 6694 bis EN 760, vom Ev. Nic. dann noch 1413-1416. Die zugehörigkeit von 2269-2334 zum Ev. Nic. hat Haupt, wie es scheint, nicht erkannt (vgl. a. a. o. s. 201).

Der dialekt von W ist durchaus bairisch. Zwar erscheint i, u für ie, uo, dagegen ist die diphthongierung von î, ú, iu streng durchgeführt. uf ist als kurz zu betrachten, ebenso die adjectivendung nom. sg. f. und nom. pl. n., obwol die hs. die alte schreibung beibehält (v. 1016. 1183. 1395). Altes ei wird stets als ai von dem neuen ei scharf geschieden (zaichen: waichen 1175 u. a.).

Anlautend erscheint fast durchweg p, seltener t und ch (plint 1224, pischof Marienleb. 6645, paten 1442, chomen 1230). w für b findet sich z. b. in walthasar 1388, welzebub 3187,

warrabam 1295, erwolgen 1190, praefix we- 1013. 1259. 1271. 2298; umgekehrt b für w in gebarnet 1401, boldest 3572, gebaschen 3725, erberben 4202 (vgl. Weinhold, Bair. gr. § 124). Einzeln zu belegen ist a für o (Weinhold § 21): bevar 3571, wart 705, verwarht 4092. ô für â etwas öfter 1088. 1184. 1191. 3371. Suffix -nuss wird vorgezogen (3329. 3336. 3377), ebenso praet. weste 757. 774 (Weinhold § 333). Bairisch ist auch der svarabhaktivocal in tiligen. Leist (lazest) 1304. 1317. 3685 wird wie treist, seist nicht als dialektisch gelten dürfen (Fischer, Zur gesch. d. mhd.).

E. Ich bezeichne mit E die Erlanger, Retzer und Berliner fragmente zusammen.

Die Erlanger bruchstücke, sechs pergamentstreifen des 14. jh.'s, wurden gefunden von G. Wolff und beschrieben und abgedruckt von demselben Zs. fda. 33, 115-123. Die Retzer bruchstücke wurden gefunden 1878 von A. Schönbach und beschrieben und abgedruckt von demselben Zs. fda. 24, 83. Dass sie zum Ev. Nic. gehören, hat erst Wolff (a. a. o.) erkannt. Die von Sch. vorgenommenen ergänzungen werden durch vergleich mit dem bekannten text zum teil berichtigt. Die Berliner fragmente bestehen aus drei perg.-streifen, sie befinden sich auf der kgl. bibl. und tragen die signatur Cod. germ. 4o. 641. Nach einer vorgehefteten notiz Massmanns, die auch abgedruckt ist in v. d. Hagens Germania 10, 104, hat dieser sie als zum Ev. Nic. gehörig erkannt auf grund von vergleichung mit der zu Berlin befindlichen abschrift (Ms. germ. 4o. 564), die Hoffmann nach der Görlitzer hs. angefertigt hatte. Die von M. angegebenen verszahlen sind zum teil falsch.

Die drei fragmente sind zum teil stillschweigend als reste verschiedener hss. angesehen worden, von Wolff (a. a. o.) wurde überdies auch ausdrücklich betont, die von ihm gefundenen stücke (E) stimmten zu keiner anderen hs., auch nicht zu R, womit sie in äusserer ausstattung, orthographie und text viel verwantschaft hätten. Trotzdem hat sich mir das resultat ergeben, dass ERB zu einer einzigen hs. gehören. Dadurch fällt ein interessantes licht auf die merkwürdigen schicksale, die einer hs. zu teil werden konnten.

Die Berliner fragmente gehörten zu einer hs., in welcher

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXIV.

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die verse in zwei columnen standen und zwischen linien geschrieben waren. Beides, auch das system der linien, so weit es noch zu erkennen ist, stimmt vollständig mit E. Hier wie dort ergibt ein vergleich der auf gleicher linie stehenden verse, dass jede columne 41 zeilen enthielt. Ebenso ist der schriftcharakter durchaus derselbe. Diese äusserlichkeiten werden nun aufs glücklichste gestützt und bestätigt durch einen merkwürdigen zufall. Zwischen den von Wolff als 1. und 2. bezeichneten teilen des Erlanger doppelblattes fehlt ein streifen von (je nach breite des schnittes) 4-5 versen. In diese lücke fügt sich nun das dritte der Berliner fragmente, allerdings sie nicht ganz ausfüllend, aber in directem anschluss an den unteren teil des Erlanger blattes; und dieser anschluss ist so eng, dass an verschiedenen stellen, z. b. v. 3385. 3509. 4576 mit hilfe des schon bekannten textes sowol aus den zu B wie aus den zu E gefallenen buchstabenenden der wortlaut zu erkennen ist. Interessant ist auch, dass das blatt am rande beschnitten wurde, ehe der Berliner streifen abgeschnitten wurde. Dass dieses blatt das äusserste einer quaternio war, hat Wolff bereits erkannt; die drei inneren blätter müssen 984 verse enthalten haben, zeigen also den ursprünglichen bestand, während S die verse 3563-64 auslässt, G die verse 3643-44 (nach G 3427). 3859. 60 (G 3642 ab). 3981. 82 (G 3762 ab), dagegen vier andere, 3790 a b (3573. 74), 4238 ab (4019. 20) einschiebt (vgl. unten). Die beiden ersten Berliner streifen gehören zu dem äussersten blatt der gerade vorhergehenden lage, da zwischen ihnen und dem ersten der Erlanger blätter nur 21 verse fehlen. Auf den inneren blättern dieser lage müssten nach der zählung von G 1144 verse untergebracht werden; dies sind für 3 doppelblätter 160 zu viel, für 4 aber 168 zu wenig. Das richtige zeigt uns die hs. S, die in dieser partie 206 verse mehr hat. Wenn wir diese auch für unsere

hs. in anspruch nehmen, so erhalten wir für deren innere blätter allerdings 1350 statt 1312 versen, es müssen also 38 verse ausgefallen sein. Dies sind ohne zweifel die verse welche die episode von den schächern am kreuz und Longinus erzählen, die auch in S an falsche stelle geraten sind. Es ist andererseits daraus wider zu schliessen, dass E die in S in dieser partie fehlenden verse besass (vgl. unten).

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