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der Finsterniß, und er trat aus demselben über in das Reich Christi, dem er nun erst, nachdem er seine sittlich umbildende Kraft in seinem Innern erfahren, seine gründliche Genesung verdanken konnte, wie der Herr selbst gesagt hat, daß die Teufel wahrhaft können ausgetrieben werden nur durch den Geist Gottes und daß, wenn dieser nicht von dem Hause Besitz genom men, in welchem der böse Geist wohnte, dieser zurückkommt mit sieben anderen, noch ärgeren Geistern und es nachher mit dem Menschen ärger wird, als es vorher war.

Auf die Thatsache solcher Heilung der Dämonischen berufen sich die Kirchenlehrer der ersten Jahrhunderte häufig, auch vor den Heiden selbst, und sie heben dabei besonders das noch hervor, daß die Christen solches nicht durch magische Formeln und allerlei abergläubisches, die Sinne betäubendes Gepränge, sondern durch einfaches Gebet aus gläubigem Herzen wirkten. So sprach Justin der Märtyrer unter dem Kaiser Mark Aurel, indem er zeigen wollte, daß Christus die Menschen von der Gewalt der bösen Geister befreit habe: „Ihr könnt dies auch jezt aus dem, was vor euern Augen geschieht, ersehn, denn viele unserer Christenleute haben in der ganzen Welt und in eurer Stadt, indem sie den Namen Jesu Christi, des unter Pontius Pilatus Gekreuzigten, anriefen, viele von bösen Geistern Besessene, welche von allen andern Beschwörern und Zauberern nicht geheilt werden konnten, geheilt, und heilen solche noch jest." Und in den späteren Zeiten des zweiten Jahrhunderts schrieb Irenäus: „In dem Namen des Sohnes Gottes wirken seine wahren Jünger, welche von ihm die Gnade empfangen haben, zum Besten der übrigen Menschen, je nachdem jeder von ihnen seine Gabe von ihm erhalten hat. Die Einen treiben auf eine feste und wahrhafte Weise böse Geister aus, so daß oft sogar selbst diejenigen, welche von bösen Geistern durch sie gereinigt worden, zum Glauben gelangen und Mitglieder der Kirche werden. Andere heilen die Kranken durch Handauflegung. Schon Manche wurden, da sie schon todt_waren, erweckt und blieben noch eine ziemliche Reihe von Jahren

unter uns. Und unzählige sind die Gnadengaben, welche die Kirche in der ganzen Welt von Gott empfangen hat, und täglich im Namen Jesu Chrifti, des unter Pontius Pilatus Gefreuzigten, zum Besten der Heidenvölker anwendet, ohne zu täuschen, ohne ein Gewerbe damit zu treiben (wie jene herumstreifenden Geisterbeschwörer und vorgeblichen Zauberer), denn wie sie es umsonst von Gott empfangen, dient fie auch umsonst damit. Sie wirkt nichts durch Anrufung von Engeln, (wie die damaligen Theosophen auf ihre vorgebliche höhere Geisterkunde sich viel zu Gute thaten, und viel durch die Verbindung mit höheren Geistern wirken zu können vorgaben, s. die Verehrung der Engel, Coloff. 2. 18.), nichts durch Zauberformeln und andere verwegene Eingriffe in die unsichtbare Welt; sondern sie wirkt Alles dadurch, daß sie mit heiligem Sinne und ohne ge, heime Künste ihr Gebet zu dem Herrn, der Alles geschaffen, richtet, und den Namen unsers Herrn Jesu Christi anruft.“ Tertullian zu Carthago beruft sich im Anfange des dritten Jahrhunderts in seiner Vertheidigungsschrift für die Christen, die er an den römischen Statthalter der Provinz (den Präses Scapula) richtete, darauf, daß dieser in seinem Bureau Leute habe, welche, wie sie auch immer gegen die Christen schreien möchten, Wohlthaten von denselben empfangen hätten, denn der Notar des Einen ist, da er von einem bösen Geiste herabgestürzt wurde (d. h. in Parorysmen der Raserei sich von oben hinabzustürzen pflegte), durch einen Christen befreit worden; Andre verdanken einem Christen die Heilung eines Verwandten oder eines Söhnleins. Und wie viele ehrbare Männer (denn von Leuten aus dem Volke wollen wir nicht reden) sind von Besessenheit durch böse Geister oder von Krankheiten geheilt worden!"

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Im dritten Jahrhundert, in einer Zeit, da das Christenthum schon eine große Macht über die geistige Atmosphäre auszuüben begann, viel Verkehr zwischen Heiden und Christen Statt fand, konnte Mancher Eindrücke des Christenthums erhalten, die ihm selber unbewußt in den Tiefen seines Gemüthes fortwirkten, in

merkwürdigen Erscheinungen des Seelenlebens bei Tage oder bei Nacht hervortauchten, so daß dem, welcher die verborgenen Fäden der Entwickelung seines Innern nicht hatte beobachten kön nen, Manches etwas ganz Plötzliches zu sein schien, was in der Werkstätte seines Geistes auf eine ihm selbst unbewußte Weise fich längst vorbereitet hatte. So konnte Einer durch einen plög, lichen, ihm selbst unerklärlichen und doch wohl vorbereiteten Umschwung seines innern Lebens, fortgerissen von der Macht des christlichen Princips, aus einem heftigen Feinde ein begeisterter Vertreter desselben werden. Auf solche Erscheinungen beruft sich Origenes, wenn er sagt (in dem 1. B. gegen den Celfus), „daß Viele wie gegen ihren Willen zum Christenthum gekommen sind, indem ein gewisser Geist plößlich ihre Vernunft von dem Haffe gegen die christliche Lehre zu dem Eifer, für dieselbe auch das Leben hinzugeben, hinriß, und indem dieser ihnen im Wachen oder im Traume gewiffe Bilder vor die Seele führte."

Wenn auch solche Erscheinungen sich denen, welchen sie widerfuhren, als etwas von außen her Gekommenes darstellten, waren es doch lauter Wirkungen, welche von der inneren Macht des Christenthums, mit der es die Gemüther überwältigte, ausgingen. Und auch alle äußeren Fügungen sollten nur dazu wirken, die am Irdischen klebenden Menschen, in welchen noch kein sittliches Bedürfniß, an das sich das Evangelium hätte anschließen können, erwacht war, zuerst aus ihrem Stumpffinn zu wecken, und sie für die göttliche Kraft des Evangeliums empfänglich zu machen. Durch eine fortgeseßte Reihe von Wundern hätte das Christenthum in der menschlichen Natur doch keine feste Wurzel fassen können, wenn es nicht durch seine innere göttliche Kraft in dieselbe eingedrungen wäre, wenn es sich nicht durch diese als dasjenige bewährt hätte, was allein alle höheren Bedürfnisse des inneren Menschen befriedigen kann. Diese göttliche Kraft des Evangeliums offenbarte sich den Heiden in dem Leben der Chriften, welche verkündeten die Tugenden deß, der sie berufen hatte von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht, und als Gottes

Kinder wandelten unter dem verkehrten Geschlecht, unter welchem sie schienen als Lichter in der Welt. Diese Verkündigung des Evangeliums durch das Leben wirkte noch mächtiger als die Verkündigung durch das Wort. ,,Unser Herr,“ sagt Justinus M. zu den Heiden,,,wollte nicht, daß wir Gewalt brauchen und das Böse mit Bösem vergelten sollten, sondern er trieb uns dazu an, durch die Macht der Geduld und Sanftmuth aus dem schmachvollen Leben und den schlechten Begierden Alle herauszuziehen, und wir können euch bei Vielen aus unserer Mitte zeigen, daß dies so geschehen. Solche, welche, da fie vorher gewaltthätige und tyrannische Menschen waren, besiegt und umgewandelt wurden dadurch, daß sie entweder die Ausdauer in dem täglichen Leben ihrer Nachbarn vor sich sahen, oder die außerordentliche Geduld übervortheilter Reisegefährten beobachteten, oder irgendwo im Verkehr des Lebens die Christen kennen lernten." Man sah die Christen in der Zuversicht ihres Glaubens mit der größten Standhaftigkeit und. Heiterkeit, oft unter den größten Martern sterben; und dieser Anblick mußte desto größern Eindruck machen, wenn man die Götterfeinde, von welchen der Volsfanatismus die schlimmsten und abentheuerlichsten Gerüchte verbreitet hatte, der unnatürlichsten Laster schuldig glaubte. Was giebt wohl" fragte Mancher -,,in dieser Zeit knechtischer Schwäche, wo wir Alles vor der irdischen Gewalt sich beugen sehen, den Menschen solche Kraft für ihre Ueberzeugung Alles zu thun und zu leiden?" Wer diese Frage aufwarf, suchte sich mit dem Christenthum bekannt zu machen, und die Folge davon war, daß er selbst von der Wahrheit der göttlichen Lehre ergriffen wurde. Auf solche Erscheinungen beruft sich Tertullian vor dem Praeses Scapula (am Ende): „Wer solche Standhaftigkeit sieht, wird dadurch angetrieben, zu suchen, was an der Sache sei, und wenn er die Wahrheit erkannt hat, nimmt er selbst sie sogleich an." Und in seinem Apologeticus (am Ende): „Unsere Zahl nimmt desto mehr zu, je mehr ihr uns zu vertilgen sucht. Das Blut der Chriften ist ihre Aussaat. Viele unter euch

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ermahnen zur Erduldung des Schmerzes und des Todes, wie ein Cicero, ein Seneca, ein Diogenes, und ihre Worte finden doch nicht so viele Jünger, wie die Christen, welche durch ihre Werke lehren. Jene Hartnäckigkeit, welche ihr uns vorwerft, wird Lehrerin. Denn wer wird nicht durch die Betrachtung derselben erschüttert, zu suchen, was an der Sache sei? Wer tritt nicht selbst hinzu, nachdem er gesucht hat, wer wünscht nicht, nachdem er hinzugetreten, selbst für die Sache zu leiden?" Justinus M. hatte dies, da er die Befriedigung seiner religiösen Bedürfnisse, welche der alte Volksglaube ihm nicht gewähren konnte, in der Lehre Platons gefunden zu haben glaubte und auf das Christenthum zuerst durch die gegen dessen Bekenner verbreiteten Beschuldigungen aufmerksam gemacht wurde, wie er selbst erzählt (in seiner größeren Apologie), an sich selbst erfahren: „Da ich an der Lehre Platons meine Freude fand, und die Christen verläumden hörte, sie aber im Angesichte des Todes und bei allem Andern, was für furchtbar gehalten wird, furchtlos sah, so urtheilte ich, es sei unmöglich, daß sie in Laster und Wolluft leben sollten.“

Verschieden war auch der Gang des inneren Lebens, durch welchen die Menschen für das Evangelium empfänglich gemacht, oder durch welchen das sittliche Bedürfniß, das allein in dem Christenthume seine Befriedigung finden konnte, in ihrem Herzen angeregt worden. In Manchen war ein gewaltiges, wenn. gleich dunkles Gefühl ihrer Schuld erwacht. Ihr Gewissen stellte ihnen den Zorn des von ihnen entfremdeten Himmels vor die Seele, in ihrer Gewissensangst sehen sie sich von bösen Geistern, die ihnen nachstellten, umgeben. Aber eben weil sie selbst ihren Gemüthszustand nicht verstanden, und weil sie Keinen hatten, der ihnen das rechte Licht darüber hätte geben können oder wollen, weil Priester und Goeten dies nicht verstandene Gefühl nur noch mehr mißleiteten, so suchten sie den Grund des göttlichen Zorns und den Weg zur Versöhnung mit dem entfremdeten Himmel in äußerlichen Dingen; denn immer pflegt der Mensch, der in seinem eigenen Innern am wenigsten zu Hause ist, das,

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