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lich auf Vollständigkeit der aufgenommenen Lieder ankommen mußte, sie absichtlich ausgelassen habe, ist höchst unwahrscheinlich; es ist vielmehr anzunehmen, daß er sie in seiner Quelle AC1 noch nicht vorfand. Ob das Minus sich ursprünglich auf die 43 Strophen beschränkte, muß dahingestellt bleiben; denn unsere Hs. C legt für diejenigen Strophen, welche sie hier nicht bietet, weil sie schon vorher Platz gefunden haben, natürlich kein Zeugnis ab, daß sie in der Quelle AC1 vorhanden waren. So hat möglicherweise der ganze Abschnitt A 62-110 (oder schon 57 oder 50-110?) in AC1 gefehlt; denn von den Strophen, die nicht vorangehen, findet sich in C1 keine. Sicher fehlten die Spruchtöne 31, 13; 26, 3; 11, 6; 104, 33; 105, 13.

Dem bedeutenden Minus von C1 steht ein kleines Plus gegenüber. Zwei Strophen C 244. 245 fehlen in A. Vermutlich fehlten sie auch in der gemeinsamen Quelle; den Anlaß sie einzuschieben gab die Ähnlichkeit ihres Tones mit den vorhergehenden Strophen: gleichviel Zeilen, gleiche Reimstellung, gleiche Verse, nur in der letzten Zeile haben sie eine Hebung weniger.

C2 steht der Hs. A schon bedeutend näher; die meisten der vorher übergangenen Strophen und Töne sind hier nachgeholt. Es fehlt nur noch die einzelne Strophe A 42, die Lachmann mit allseitiger Zustimmung als unecht beseitigt hat, und die beiden Lieder A 126-129. 144-146, deren Verfasser Rotenburg und Rubin sind.

Hinsichtlich der Reihenfolge der Töne ist sowohl in C1 als in C je eine Abweichung von der Ordnung der Hs. A zu bemerken. In C1 bildet der vierzehnte Ton, in C2 der elfte den Schluß. Es ist demnach anzunehmen, daß diese Töne in der Vorlage von C nicht wie in der Hs. A vor der Mitte der Sammlung, sondern an ihrem Ende standen. Und da C1 und C2 miteinander übereinstimmen, so darf man ferner annehmen, daß sie die ursprüngliche Ordnung bewahren und in A die Umordnung erfolgt ist. Wie viele Töne von dieser Umstellung betroffen wurden, kann man nicht wissen; mindestens Str. A 38-49, höchstens Str. A 31-77. Diese Umordnung erklärt sich kaum auf andere Weise, als daß die Vorlage der Hs. A, worauf auch anderes hinweist, zerrüttet war und manche Blätter ihren ursprünglichen Platz verloren hatten.

In dieser Zerrüttung darf man endlich auch den Grund sehen, daß die vier Strophen C2 374-376. 377, in denen A und C genau

übereinstimmende Texte zeigen, in A unter den Namen Liutolt von Seven und Niune überliefert sind, unter denen sich auch sonst Lieder verschiedener Verfasser zusammengefunden haben. 1)

Wir übersehen jetzt die Geschichte der in A enthaltenen Sammlung. Wie B und C ist sie erst allmählich zu ihrem jetzigen Umfang erwachsen, und wie bei jenen steht auch bei ihr der Vermehrung eine Verstümmlung gegenüber. In der ältesten uns erreichbaren Sammlung AC1 fehlten noch viele Töne, die A hat, und manche Lieder in ihr waren unvollständig. Allmählich wurde sie ergänzt und Neues hinzugefügt, zunächst aber nichts, was sich als unecht erweisen ließe. Auf diesem Punkt hält sich AC2. Später erfolgten neue Zusätze, darunter entschieden Unechtes; das ursprüngliche Gefüge der Sammlung wurde gelöst; Blätter, die am Ende gestanden hatten, wurden in die Mitte gesetzt, anderes geriet selbst unter falschen Namen. In diesem Zustande bietet uns die Hs. A die Sammlung.

Über die Anordnung der ältesten Sammlung können wir nicht so genau Auskunft geben wie bei BC. So viel aber sieht man, daß der erste Teil (bis A 30 oder 37) aus eigentlichen Minneliedern bestand, aus Liedern, die den Dienst voraussetzen, ein zweiter (von A 111 an2) aus solchen, die mehr den Charakter der Unterhaltungspoesie tragen: Lieder der niedern Minne 72, 31. 73, 23. 49, 25, das Kranzlied 74, 20, die Sommerballade 94, 11 und das Meißnische Winterlied 75, 25. Dieses bildet jetzt den Schluß. Früher aber folgte ein nicht fest zu begrenzender Teil aus dem Innern der uns in A vorliegenden Sammlung. Wenn man nach dem allgemeinen Charakter der beiden Teile eine Vermutung wagen darf, so wären die Strophen A 31-56, soweit sie überhaupt schon in AC1 standen, hierher zu setzen; also das Tagelied 88, 9, ein Lied der niedern Minne 40, 19, der Reichston 8, 4, die beiden Kreuzlieder 76, 22 und 14, 38.3) Die Sammlung würde also mit dem strengen Minneliede anhebend, allmählich zu Liedern allgemeinern Inhalts übergegangen sein; eine chronologische Ordnung ist nirgends wahr

1) Lachmann S. 201. 212f.

2) A 111 = C 255 Lange swigen des hat ich gedäht wird den Anfang dieses Teils und eines ursprünglich selbständigen Liederbuches bezeichnen.

3) Das Preislied auf Deutschland 56, 14 (A 57-61) war wohl eher als Einleitung zu der Partie A 62—110 gedacht. Freilich A 62 In numme dumme ich wil beginnen: sprechet âmen ist auch ein Einsatz.

nehmbar. Ob von der Strophenreihe A 57-110 schon etwas in der alten Sammlung AC1 vorkam, blieb ungewiß. Sie umfaßt jetzt vorzugsweise Sprüche, mit einzelnen Liedern untermischt, und nach diesem Inhalt müßte man den Platz am Ende der ganzen Sammlung als den für sie geeignetsten ansehen. Aber in AC 2 nahm sie jedenfalls schon ihre jetzige mittlere Stellung ein, und es ist sehr fraglich, ob sie von Hause aus diesen gemischten Charakter trug. Vielleicht sind ein altes Liederbuch, mit 56, (A 57), und ein altes Spruchbuch, mit 31, 33 (A 62) beginnend, durcheinandergeraten.

Quelle EC.

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Auch eine der Hs. E ähnliche Sammlung ist in C benutzt, von Str. 390 an. Aber dieser Teil gehört einer jüngeren Schicht der Hs. C an, er ist später von andrer Hand nachgetragen.

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1) Vgl. Scherer, DSt. 2, 59 Anm.; Michel QF 38, 14; Gottschau, PBb 7, 376f.

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In C folgen dann noch von derselben Hand und in demselben Ton Str. 440. 441, und zwei neue Töne 442-444 (Walther 65, 33), 445-447. Vor diesen letzten drei Strophen steht in kleiner Kursivschrift Meister Heinrich Teschler. Da die Hs. E eine Lücke hat, ist es möglich, daß auch sie ehemals diese Strophen hatte, für die, welche von Walther sind, sogar sehr wahrscheinlich (s. u. S. 33).

Von den Strophen, die sich in E finden, haben 69 in C keine Aufnahme gefunden. Zum Teil sind sie in Waltherschen, zum Teil aber auch in eigentümlichen Tönen abgefaßt; einige sind sonst nicht überliefert, andere begegnen, besser verbürgt, unter anderen Dichternamen; gar manche ergeben sich durch ihren Inhalt oder ihre Form oder durch beides als unecht; andere hingegen sind als gewiß echt anzuerkennen. Sicherheit der Entscheidung ist um so weniger mög

214, 34.

1) Vgl. Wackernagel - Rieger S. Xlf.; Paul, PBb 2, 173 ff.; Vogt zu MF.

2) Scherer, DSt. 2, 59 Anm.; Burdach, Reinmar S. 73; Vogt MF S. 361. 3) S. Lachmanns Anmerkung.

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lich, als die Texte in E stark entstellt sind. Lachmann hat keine der nur in E überlieferten Strophen unter die Gedichte Walthers aufnehmen wollen als zum Teil sicher unecht, zum Teil verderbt" (Vorr. S. XI); daß Echtes darunter sei, daran zweifelte er nicht (Anm. zu 61, 32). Ob der Sammler von C diese Gedichte verschmähte oder noch nicht vorfand, ließ er unentschieden; man wird indes mit ziemlicher Zuversicht das letztere behaupten dürfen. Denn daß der Sammler mit Geschmack und Umsicht und sehr anerkennenswertem Erfolg höhere Kritik geübt habe, ist wenig glaublich; die Analogie spricht dafür, daß die zum größten Teil unechten und zweifelhaften Bestandteile der Quelle EC erst später zugeflossen sind. E verhält sich zu EC ähnlich wie A zu AC, nur daß in der jüngeren Hs. die Zusätze an Umfang bedeutender, an Wert geringer sind als in A. 1)

Auf dieselbe Quelle wie E muß aber auch die Weimarer Hs. F zurückgehen mit einer Sammlung von 49 Liedstrophen, von denen sich nur F 10-13. 20-22. 40-44 nicht in E finden, F 21. 22 (L. 65, 33; 66, 5) aber der Vorlage von E zugewiesen werden, weil sie C 442. 443 im Nachtrag zu der aus *EC entnommenen Partie stehen. 2) F hat den gleichen Anfang F 1-4 = E 2-5. Die Hauptmasse der E und F gemeinsamen Strophen, 24 von 36, entfällt auf den Teil E 152-188, der, wie sich oben S. 23 f. ergab, in seinem Kern auf dieselbe Quelle wie BC zurückgeht. Besonders ins Gewicht fällt, wie schon Lachmann bemerkte, daß mehrere in E erhaltene Strophen nur noch in F stehen: E 106 F 9 (Lachmann, Vorr. S. XVII), E 160 F 48 (Lachmann zu 69, 21), E 175—177 F 30-32 (Lachmann zu 61, 18), E 187. 188F 38. 39 (MF 84, 37, vgl. dazu Vogt S. 361 f.). Auch gemeinsame Fehler finden sich in E und F (s. Zfd A. 13, 220 f.). 3)

3

=

1) Der Spezialfehler von *EC ist, wie Plenio, PBb 42, 257 treffend vermerkt, die Verderbnis der Reimworte.

=

2) F 10 s. L. 139 zu 16, 35; F 20 s. L. 187 zu 65, 33; F 21. 22 66, 5; F 33 L. 61, 20; F 11 — 13, auch in A 144 - 146 überliefert (s. u.) 315 (Rubin XIV), F 40-44 = MF 54, 1 (Hûsen).

L. 65, 33.

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3) Doch hat die Vorlage von F, nach den Lesarten zu schließen, auch aus anderer, AC nahestehender Quelle geschöpft, insbesondere F 14-17 E 183. 186. 184. 185 (L. 46, 10), F 24. 25 = E 153. 154 (L. 55, 8, s. den textkritischen Anhang). Bei F 34-37-E 170-173 (L. 43, 9) fällt das häufigere Zusammengehn der Lesarten von Fa gegen BCEs auf. Es wird sich wie die Dittographien in Wilmanns, Walther v. d. Vogelweide II. 3

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