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mit der er es ausspricht, sogar kluge Berechnung, mögen ihn immerhin die Tatsachen später Lügen gestraft haben. Was für das Unternehmen erfreulich ist, bleibt freilich damit stellt sich Walther auf den Standpunkt der Gegner und nimmt ihnen einen Einwand weg für Deutschland ein Verlust; daher: owê. Die elegische Stimmung erklärt sich aus der Zeitlage. Noch ist das große Sterben von Brindisi nicht vergessen. Aber die wohl begreiflichen weltlichen und menschlichen Bedenken, alles Erdenleid können für den Dichter nicht ernstlich in Betracht kommen, der den Blick nur auf das Ewige gerichtet hält. Nicht im Solde des irdischen, sondern des himmlischen Kaisers wird die Fahrt unternommen (v. 8). Das hat Rieger seinerseits verkannt. Winterstimmung durchzieht die Strophen 2-4; das wird auch der empfinden, der die Beziehung von v. 12 auf den Sturm im Dezember 1227 bezweifelt.

Die Überlieferung in BC ist schlecht. In Strophe 3 und 4 sind v. 2 und 4 um einen Fuß länger. Lachmann las in der ersten Strophe v. 6 witze mit Hiat, 8 wê wie, ließ aber die zweite unverändert; Pfeiffer änderte die beiden letzten, strich v. 20 nider, 22 kurze, 27 kalten, und Bartsch setzte auch 29 zuerst bî ir arbeit, später werde für werdecliche; Plenio PBb 42, 2641 nimmt zwei verschiedene Töne an. Vers 30 ist in BC zu kurz und von den Herausgebern verschieden ergänzt. Die in v. 5 und 17 eingesetzten Besserungen sind unsicher. Auch die schwankende Behandlung der Eingangssenkung, für deren Regelung verschiedene Vorschläge (7 Swer nû, 11 wê wie, 16 Boum unde, 21 Aller der Pfeiffer) gemacht sind, muß auffallen, und nicht zum wenigsten die von Wilmanns angenommene Betonung zwischen v. 20 (s. 1, S. 339, Lachmann strich zwei). Wilmanns schlug vor, die Strophen in der Reihenfolge 3. 4. 1. 2 zu lesen, und Plenio hält 3. 4 für das ältere Lied. Dabei ist aber der Einsatz matt. Pfeiffer ordnete 2. 1. 3. 4 mit mattem Schluß. Nimmt man lediglich auf den Inhalt Rücksicht, so genügt es, die nur in C erhaltene zweite Strophe an den Schluß zu stellen, es aber im übrigen bei der überlieferten Folge zu belassen. Der Schlußreim der Stollen wird im Abgesang als erster Reim aufgenommen, s. 106, 17. 13,5 1. Owê waz êren sich ellendet [von] tiuschen landen! 9 B, 12 C witz unde manheit, dar zuo silber und daz golt, Swer diu beidiu hât, belibet der mit schanden, wie den vergât des himeleschen keisers solt! Dem sint die engel noch die frouwen holt.

13, 5. ellénden hat den Ton nicht selten auf der zweiten Silbe. 6. Rubin MSH 1, 313 swer nû daz kriuze niht ennimt, der libes unde guotes hat die vollen, daz ist missetan. 7. Über die Stollenbrechung s. die Vorbemerkung zu 24, 3. 'diu beidiu beziehe ich auf die zwei Paare witze unde manheit, silber und daz golt, nicht

bloß auf das letztere.' Lachmann.
beliben hie beliben. Hartmann MF 211,
17 daz er beliben muoz, swenn ich
in Kristes schar mit fröiden wünnec-
lichen var (Lachm.). Reinmar 181, 10
ir dekein darf ûf den trôst belîben.
8. vergan c. acc. an einem vorüber-
gehen, entgehen; Walther braucht das
Wort nur hier, Reinmar sehr oft.

13, 10

15

20

armman zuo der werlte und wider got,
we wie der fürhten mac ir beider spot!

2. Owe ez kumt ein wint, daz wizzet sicherliche,
dâ von wir horen beide singen unde sagen:
Der sol mit grimme ervaren elliu künicrîche.
daz hore ich wallær unde pilgerîne klagen:
Boume, türne ligent vor im zerslagen:

starken liuten wæt erz houbet abe.

nû suln wir fliehen hin ze gotes grabe.

13 C.

3. Owê wir müezegen liute, wie sîn wir versezzen 10 B, 14 C. zwischen zwein fröiden nider an die jâmerlichen stat! Aller arebeite heten wir vergezzen,

dô uns der kurze sumer sîn gesinde wesen bat. Der brâhte uns varnde bluomen unde blat:

10. 'ein armer unglücklicher Mann vor Gott und Welt.' 1, IV, 76.

13, 12. Der Wind gehört zu den Vorzeichen des jüngsten Gerichtes, das der Dichter nahe glaubt. Zugleich aber deutet Walther 'vielleicht auf den großen Sturm im Dezember 1227, welchen der Mönch Gottfried erwähnt, und gewiß auf den Bann, den Papst Gregor IX um dieselbe Zeit über Friedrich sprach'. Lachmann. Er wird als zukünftig bezeichnet, aber zugleich schon in seinen Wirkungen beschrieben, s. 1, III, 115. - Den jüngsten Tag kündigt Walther öfters an, es war das ein beliebtes Thema. 1, S. 244. 16. boume, türne. Das Asyndeton ist auffällig, s. Roethe, Reinmar von Zweter S. 321. Wälsche Gast v. 3200 die hohen türn die vallent sêre, ist diu gruntveste niht harte guot. . wizzt daz der wint, der schütet die hohen boume veste, daz er bricht vil gar ir este. Als die Quelle bezeichnet Rückert Hor. Od. 2, 10 Saepius ventis agitatur ingens Pinus

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13, 19. ich bin versezzen, ich habe mich an eine verkehrte Stelle gesetzt; vgl. ich was gesezzen 65, 33. — 20. Altes Sprüchwort: Sedibus in mediis homo sepe resedit in imis. MSD XXVII, v. 210 Anm. Die beiden Freuden sind die irdische, vergängliche, die ihrer Natur nach gewichen ist, und die himmlische, ewige, welche Sorglosigkeit und Trägheit verscherzt haben. - 22. Der Sommer wird als Heerfürst vorgestellt; ausgeführt ist diese Personifikation in einem Liede Neidharts 75, 15, wo der Winter allex sin gesinde sendet, um den Sommer zu überwinden. 1, IV, 9. - 23. varnde, vergänglich. Lachmann vergleicht Reinmar 174, 3 ich hân varnder vröuden vil und der rehten eine niht diu lange wer. Walther von Metze MSH 1, 309b ein varnden lôn erwurbe ich wol, . . . der wær unstate sam der klê.

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13, 24

dò trouc uns der kurze vogelsanc.

25

30

wol im der ie nâch stæten fröiden ranc!

4. Owê der wise die wir mit den grillen sungen,

11 B, 15 C.

do wir uns solten warnen gegen des kalten winters zit! Daz wir vil tumben mit der âmeizen niht rungen,

diu nu vil werdecliche bi ir arebeiten lit!

Daz was ie der werlte meiste strit.

tôren schulten ie der wisen rât:

man siht wol dort wer hie gelogen hât.

6. Liebe von Herzen.

13, 33. Durch die Anfangsworte schließt das Lied äußerlich sich an den vorhergehenden Klagegesang an, und möglicherweise fand der Sammler der Hs. C darin den Anlaß, das Lied, das in der Sammlung BC fehlte, hier einzuordnen (Einl. S. 21); der Dichter hatte es sicherlich nicht für diese Stelle bestimmt. Einen angemessenen Platz würde es nach 71, 34 finden. Die Verbindung der Strophen

ist sehr eng; das Thema einer jeden ist im Schluß der vorhergehenden bezeichnet. - Die sechste und siebente Zeile jeder Strophe bilden einen rhythmischen Satz. 1, S. 343. Vgl. die eng verwandte Form 109, 1. In Stil und Gedanken zeigt das Lied Einfluß Reinmars (Burdach R S. 101f., s. aber von Kraus, Die Lieder Reinmars d. A. III, 23) und Hartmanns (Anm. zu 14, 25). Abgesehen von der Erweiterung, die der sechste Vers darstellt, entsprechen sich, wie Bartsch, Germania 6, 196 bemerkt hat, Stollen und Abgesang. Die Echtheit scheint mir nicht ganz zweifellos.

13, 26. Plenio PBb 39, 2991 bemerkt, daß die Strophen 3 und 4 'durch eine Art von übergreifendem grammatischem Reim' (sanc: ranc, sungen: rungen) verknüpft sind. Die alte Fabel von Grille und Ameise. Äsop Nr. 295 μvouns zai závðagos, Boner Nr. XLII von einer ambeis und einem höustüffel. der grille, swm. lat. gryllus. Wallner PBb 33, 3 vermutet, daß auch dieser Zug aus der Kreuzzugspredigt stammt und verweist auf Thibaut de Champagne (Tarbé S. 117 ff.): La souris quiert pour son cors garantir Contre l'yver la noix et le froment. Et nous chaitif nous

28.

n'alons rien quérant, Quant nous morrons, où nous puissions garir. âmeizén 1, S. 326. - Prov. 6, 6ff. vade ad formicam, o piger, et considera vias ejus et disce sapientiam; quae.. parat in aestate cibum sibi et congregat in messe quod comedat. Vgl. Prov. 30, 25. Marner (Strauch) I, 1. 29. arebeit, hier und 103, 27 der Gegenstand der Arbeit. 31. Freid. 81, 3 Salmon witze lèrte, Morolt daz verkêrte, den site hint noch hiute, leider genuoge liute. ebda. 81, 23. 84, 14. - 32. dort, beim jüngsten Gericht; vgl. 16, 21.

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14, 1

5

10

daz ez iht von herzen gê.

16 C.

wand im wart von rehter liebe [nie] weder wol noch wê: Des ist sîn geloube kranc.

swer gedachte

waz diu minne bræhte,

der vertrüege mînen sanc.

2. Minne ist ein gemeinez wort,

17 C, 31 p.

und doch ungemeine mit den werken, dêst also:

Minne ist aller tugende ein hort,

âne minne wirdet niemer herze rehte frô.

Sît ich den gelouben hân,

frouwe Minne,

fröit ouch mir die sinne:

mich müet, sol mîn trôst zergân.

13, 33. Der Unglaube entspringt aus Mangel an Herzenserfahrung; 1, III, 40. 34. ge braucht Walther oft im Reim; die seltne Konjunktivform gå braucht er nie, s. 1, S. 332. giht des einen 'sagt weiter nichts, behauptet einfach'. iht im abhängigen Satze mit daz steht häufig für nhd. nicht; z. B. 41, 8. 88, 29. 105, 31. 24, 31. Aber überall sonst handelt es sich um Absichtsätze; daher setzt Paul niht ein.

35. Die Worte enthalten vielleicht einen stärkeren Vorwurf, als es nach unserem Sprachgebrauch scheint; vgl. Trist. 999 unnütze lebende èin man. MF 14, 24 er ist unnütze lebende. 14, 1. Die von Wilmanns für das überlieferte nie weder eingesetzte Form neweder oder enweder ist sonst bei Walther nicht belegt, vgl. 25, 9. 46, 36. 53, 23. 64, 5. 81, 31. 4. bræhte vollbrächte.

14, 6. Betrachtung über das Wesen der Minne; 1, S. 280. — 7. mit, in betreff, zur Bezeichnung eines begleitenden Um

standes; Mhd. Wb. 21, 195b. dêst also; die Beteurung bezeichnet eine Pause in der Gedankenentwicklung; der Sänger schaut auf das Gesagte zurück und bestätigt es sich; die Dichtung gewinnt dadurch den Schein der Unmittelbarkeit; 1, S. 351. 8. Vgl. 1 Cor. 13, 13 nunc autem manent fides, spes, caritas, tria haec; major autem horum est charitas. Schönbach ZfdA 39, 342 vergleicht Hugo v. St. Victor De laude charitatis: charitas omnium virtutum origo est (vgl. 1, S. 263). tugent, ursprünglich jeder Vorzug, auch die Freude; unter dem Einfluß des religiösen Bedürfnisses hat sich die Bedeutung des Wortes verengt. Afd A 1, 193. 9. Zur Überlieferung vgl. 1, V, 79. Über die Freude und den Wert der Minne s. 1, S. 263. Freid. 98, 13. Gliers MSH 1, 106a (21). Nibel. 16, 2. 10. Vertrauensvolles Flehen verlangt Erhörung. 1, IV, 429. Neifen 30, 24.

13. Vgl. Reinmar 152, 20 mich müet, sol im ieman lieber sin.

14, 14 3. Mîn gedinge ist, der ich bin

15

20

25

18 C.

holt mit rehten triuwen, dazs ouch mir daz selbe sî. Triuget dar an mich mîn sin,

so ist mînem wâne leider lützel fröiden bî. Neinâ hêrre! sist sô guot,

swenne ir güete

erkennet mîn gemüete,

daz si mir daz beste tuot.

4. Wiste sî den willen mîn,

19 C, 32 p.

liebes unde guotes des wurd ich von ir gewert. Wie möht aber daz nû sîn?

sît man valscher minne mit sô süezen worten gert, Daz ein wip niht wizzen mac

wer si meine.

disiu nôt alleine

tuot mir manegen swæren tac.

30 5. Der diu wîp alrêrst betrouc, der hat beide an mannen In weiz waz diu liebe touc,

20 C, 30 p.

und an wîben missevarn.

sit sich friunt gein friunde niht vor valsche kan bewarn.

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liebe. 1, S. 280. 18. Reinmar 160, 37 neina hêrre! jô ist si só guot. Über die Revocatio s. 1, S. 352; über das a in neina zu 9, 12. 19. güete nimmt nachdrucksvoll guot wieder auf, weil darauf die Hoffnung beruht; 1, S. 372f. Der Anlaut des folgenden Verses verschmilzt mit dem auslautenden -e.

14, 22. Die vierte Strophe enthält wieder eine allgemeine Betrachtung, auf welche der Schluß der dritten hinwies. Der gute Wille (wille syn. gemüte v. 20) verdient Lohn. 1, S. 272. 25. Über untreue Werber 1, S. 192f. Walthers

Worte sind eine Reminiszenz aus Hartmann 1 Büchl. 217 ff. nú ist ez leider ein slac, daz ein wîp niht wizzen mac, wer si mit triuwen meinet. 14, 30. Ähnliche Betrachtungen im 1 Büchl. v. 265 f. 31. man und wip oft nur zur Bezeichnung der Allgemeinheit; hier nachdrucksvoller: 'nicht nur an den Frauen, sondern auch an den Männern'. 32. Bei in weiz genügt die einfache Negation ne, wenn eine indirekte Frage folgt und zu weiz nicht ein besonderes Objekt tritt; 60, 20. 86, 11. 117, 22. 25; auch 42, 35. Hingegen 73, 4 jon weiz si niht . . daz ir lop zergât. 89, 27 jon weiz ich niht ein ende wie lange ich din enbir. 96, 30 in weiz niht, obs êre si. Wackernagel in Hoffmanns Fundgr. 1, 291 f. 297. 33. valsch stm. Treulosigkeit; s. zu 71,

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