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Poetische Proben aus dem Alt-, Mittel- und Neudeutschen,
sowie den germanischen Schweftersprachen.

1505.

Leipzig:

F. A. Brodhaus.

1875.

So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt:

Das soll es sein!

Das ganze Deutschland soll es sein!

Vorwort.

Der Wunsch, eine Sammlung deutscher Dialektgedichte, die zunächst nur aus Liebe zu unserer deutschen Sprache und aus Freude an ihren verschiedenen Entwickelungsformen zusammengetragen wurde, auch einigen in der Ferne wohnenden Freunden zugänglich zu machen, gab den ersten Gedanken, diese Lieder in der vorliegenden Zusammenfügung dem Drucke zu übergeben.

Wenn uns die Rose, die Nelke, jede Blume für sich, gefällt: einen neuen und besondern Reiz gewinnen sie durch die Vereinigung zu einem Strauße. Und so mag wol mancher, welcher hier oder dort einmal an mundart= lichen Dichtungen sich erfreute, ja welchem die hier ge= gebenen Lieder im einzelnen längst bekannt sind, es gern sehen, dieselben nun beisammen zu finden und alle die verschiedenen Stimmen des Vaterlandes nebeneinander erklingen zu hören. Mancher wird sich bei der Lesung des einen oder des andern Gedichtes eines lange entfernten Freundes erinnern, der in jenen ihm lieb, aber seit Jahren ihm fremd gewordenen Klängen sprach; manchem vielleicht der jenseit des Oceans eine neue Heimat gefunden, mögen diese Lieder das Bild der alten Heimat zurückrufen.

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Aber man hat die Frage aufgeworfen, ob die Dialektpoesie überhaupt eine Berechtigung befize, ja es gibt Leute, welche den Dialekt einfach für verderbtes Deutsch" halten. Goethe, der die mundartlichen Dichtungen Grübel's und Hebel's hochschätzte, in dessen ,,Göt" der Volkston so mächtig durchbricht und welcher unter seine Lieder ein Dialektgedicht, entkleidet von den schleppenden Nachsilben der Schriftsprache, aufnahm, dachte hierüber anders. Und wahrlich, das Volkslied, in der Mundart des Gaues, in welchem es geboren ward, in der Sprache der Menschen, in deren Herzen es erwachte, wird nicht erst anfragen müssen, ob es leben dürfe. Wer die Menschen liebt, ihre ange= stammten Sitten und Anschauungsweisen, der wird auch ihre Mundart und ihre Dichtungen lieben. Und auch die mundartliche Kunst poesie, wenn, wie bei Hebel, Holtei, von Kobell und vielen andern, das Lied nur überall solche Stimmungen ausspricht, wie sie im Kreise edler und begabter Kinder des Volks wirklich heimisch sind, sodaß nichts Gekünfteltes, nichts Altkluges zu Tage tritt, hat ihre volle Berechtigung.

Es war aber bei vorliegendem Buche keineswegs das zunächst ins Auge gefaßte Hauptziel, eine Sammlung „schöner Gedichte" zu geben, sondern es handelte sich in erster Linie um die Zusammenstellung der Dialekte, für welche diese Gedichte nur die Träger sind. Es galt, in dieser nivelirenden, die Stammes charaktere in Tracht, Sitte und so auch in der Sprache verwischenden Zeit ein Bild des deutschen Dialektconcertes zusammenzufügen, in einer. Form, an der ein billiger Beschauer Geschmack finden möchte. Bei diesem Standpunkte wird man es nicht zu strenge beurtheilen, wenn für manche Dialekte auch einzelne Sprachproben geringern poetischen Werthes mit unterliefen; mögen dieselben als „einstweilige Vertreter" dieser Idiome immerhin dastehen, bis

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