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terie, 1) sondern er bedient sich stets des allgemeinen übrigens auch von Ibn Gabirol selbst an vielen Stellen angewendeten Ausdruckes creare, ohne auf dessen Bedeutung des Näheren einzugehen.

Ebenso fremd ist ihm die Vorstellung, daß die Materie aus dem Wesen des Urprincips entspringe, die Form dagegen aus der Eigenschaft dieses ersten Wesens hervorgehe. 2)

In unverkennbarer Anlehnung an die Emanationslehre des Neuplatonismus dagegen betrachtet Gundisalvi mit Ibn Gabirol das Herabsteigen der Einheit in den drei Stufen der Intelligenz, Seele und Körperwelt.

Je mehr sich die Einheit von der obersten Einheit entfernt, desto mehr verliert sie von ihrer einigenden Kraft, bis sie schließlich zu der untersten Grenze, der Materie der Körperwelt, gelangt. Daß die Einheit in der letzteren die unvollkommenste ist, diesem Gedanken zwar sind wir auch bei Augustinus begegnet. Neu dagegen ist die Lehre, daß die Einheit durch die stufenweise zunehmende Unvollkommenheit der Materie, die sich ihrer Einwirkung widersetzt, an Vollkommenheit einbüßt.

Freilich lehrt schon Aristoteles, daß in jedem Dinge die Form vorhanden sei nach Maßgabe der Aufnahmefähigkeit der Materie.3) Jene Verselbständigung der Materie dagegen bei der Erklärung des Hervorganges der Dinge ist dem Aristoteles völlig fremd. Sie ist ein specifisches Element der neuplatonischen Emanationslehre.

Was nun die drei Stufen selbst betrifft, so sind dieselben zwar gleichfalls ein grundlegender Bestandteil der neuplatoni

1) Vergl. Guttmann a. a. O. S. 256.

2) Vergl. Guttmann a. a. O. S. 259.

.....

3) Vergl. Aristot. De anima II, 2. p. 414 a 25-26: Éxáorov yàp ý ἐντελέχεια ἐν τῷ δυνάμει ὑπάρχοντι καὶ τῇ οἰκείᾳ ὕλῃ πέφυκεν ἐγγίγνεσθαι. Noch prägnanter spricht Proklus diesen Gedanken aus, und auf Grund des Proklus Ider liber de causis. Vergl. Prokl. institut. theol. §. 122 nāv ἀπολαύει τῶν ἀγαθῶν, ὧν δέχεσθαι δύναται, κατὰ τὰ μέτρα τῆς οἰκείας ὑποστάσεως. Liber de causis §. 19 Prima enim bonitas influit bonitates super res omnes influxione una; verumtamen unaquaeque rerum recipit ex illa influxione secundum modum suae virtutis et sui esse.

von dem Neubiblische Drei

nischen Lehre. 1) Anderseits aber bietet die platonismus selbstverständlich unabhängige teilung der reinen Geistweisen, der unsterblichen Seele und der sichtbaren Welt analoge Stufen. Nicht die Herübernahme dieser Stufen an sich durch Avencebrol und Gundisalvi ist darum schon von philosophiegeschichtlicher Bedeutung, sondern die Art und Weise, in der, wie oben ausgeführt, der Hervorgang jener Stufen und die innere Beschaffenheit einer jeden derselben erklärt wird.

Von einer unmittelbaren Einwirkung der Schrift De unitate auf die Entwicklung der Philosophie - abgesehen von einem gelegentlichen Citat bei Alanus ab Insulis 2) - ist nichts bekannt. Hauréau glaubte zwar, die pantheistischen Anschauungen des David von Dinant mit jenem Traktat in ursächlichen Zusammenhang bringen zu sollen. 3) Solche pantheistische Anschauungen sind indes dem Traktate völlig fremd. Von Davids charakteristischer Begründung seines Pantheismus vollends, nach der die zuerst angenommenen drei Principien: Gott, Materie, Intellekt, wegen ihrer völligen Abstraktheit ununterscheidbar sind und darum zusammenfallen, 4) findet sich in der Abhandlung auch nicht eine Spur. Hauréaus Ansicht hat darum auch allgemein keinen Beifall gefunden.

Aber trotzdem ist Gundisalvis Schrift charakteristisch für eine ganze Zeitbewegung. Sie zeigt uns, wie die durch Boethius und Augustinus übermittelte platonisierende Gedankenrichtung die Aufnahmefähigkeit für den neu zuströmenden neuplatoni

1) Vergl. Zeller a. a. O. III, b. S. 510 ff.

2) Vergl. oben S. 17 f.

3) Vergl. die oben S. 12, Anm. 1, citierte Abhandlung. Eine kurze Zuzammenfassung in Hauréaus Histoire de la philosophie scolastique. II. a. S.81 f.

4) Vergl. Hauré au Histoire etc. II. a. S. 79 f. Stöckl, Geschichte der Philosophie des Mittelalters Bd. I. Mainz 1864. S. 291 ff.

schen Gedankenkreis bedingte. Sie zeigt auf der andern Seite, wie bei maßhaltenden Schriftstellern in dieser Aufnahme doch gewisse Grenzen eingehalten wurden. Bei einer weiteren Betrachtung der Entwicklungsgeschichte der Scholastik würde sich zeigen, wie ein tieferes Eindringen in den Geist des Aristoteles diesen neuplatonischen Elementen gegenüber allmählich zu einer Rückbildung führte.1)

1) Vergl. Baeumker, Archiv für Geschichte der Philosophie IV. Berlin 1891. S. 574 f.

Nachträge.

Im Folgenden verzeichne ich die Lesarten von drei weiteren Handschriften. 1)

D

E

F

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Wien, Hofbibliothek, cod. lat. 195, Pgmt.Handschrift des XIII. Jahrh. (fol. 139 bis 140). Es fehlt der Abschnitt S. 5, 8-8, 14. Das Explicit der Handschrift nennt als Verfasser des Traktates den Boethius.

Der

Wien, Hof bibliothek, cod. lat. 5508. Traktat De unitate findet sich in dem zweiten aus Pergamentblättern bestehenden Teile der Handschrift auf fol. 204 bis 205 in Schrift des XV. Jahrhunderts. Die Abhandlung ist dort anonym überliefert.

r

r

r

München, Hof- und Staats-Bibliothek, cod.
lat. 527, Pgmthdschr. des XIII. Jahrhunderts.
Der Traktat steht fol. 10▾ 11 und ist am
Schlusse unvollständig. Als Verfasser der
Schrift ist Aristoteles bezeichnet.

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Die Handschriften D E F bilden zusammen eine Familie P2, welcher die durch A B C vertretene Familie P1 gegenübersteht. Der Text von P2 ist im Verhältnis zu dem von P1 gebotenen von weit minderem Werte. Die wenigen Stellen, an denen er zu Besserungen Anlaß giebt, sind im Folgenden angemerkt. Bei mehreren dieser Stellen sind die betreffenden Lesarten übrigens auch von einem Teile von P1 vertreten.

1) Die zahlreichen Abweichungen in der Wortstellung habe ich, um den kritischen Apparat nicht übermäßig auszudehnen, nicht angegeben.

pag. 3, 1: De unitate liber om D Incipit liber de unitate et uno E 2 esse om D E F, fortasse recte enim om DEF 3 sit simplex] sit om D sive composita om E sit spiritualis] sit om E F corporalis DE res om E F 3-4 res unitate una est om D 4 nisi unitate om F sine unitate D 5 nisi albedine] sine albedine D E F nec] neque D nisi quantitate] sine quantitate D E F 6 semel unitate D una est] una om F est om E etiam] om E et F est] et F quamdiu D id quod est om D E F 7 quamdiu (tam F) in se unitas est om D Cum quod F desinit esse unum om F 7---8 unum, desinit esse om DE 8 Unde est] Unum non est D illud om D Unde

9 quia] ut D

est illud notandum E quidquid est] quidquid autem est D
quid est E
recte, cf. p. 17.
om E F

quod quidunum numero est D E F, fortasse Quod sic ostenditur] et sic esse ostenditur E. 10 enim scilicet om D est] esse F 10-11 in creatis (tantis F) .

ex forma est om E 11 esse ex] est quod F om DEF unita] unitas F est] sit E nisi D E ex om D

vel e contrario

forma materiae] forma 12 est nonnisi] non est post materia add. D 13 sic om D sic id D dicentes om D est] cum D

materiae cum forma E

12-14 unde . . . materia om F esse E illud dicentes om E

14 cum materia] in materia DE forma materiae] materia formae D E unita est D ex om D 15 necessario om D F

1 utriusque constitutione] om E.

pag. 4, 1 in] ex F EF 2 formam om F, formam cum om E DEF rei om E

pag. 3, 15 - pag. 4,

constructione F

illud om F materiam retinet E

unum om

Igitur] ergo

non] nihil F

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est om F
mutatio continua

ergo res ex separatione de

5 in suo esse om F

nonnisi] nisi

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