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von Quarten und Quinten zusammengestellt sind; jedoch so, dass, wenn die eine die Quinte in dem untern Theile, die Quarte in dem obern hatte, die andere (plagalische) die Quarte in dem untern, die Quinte in dem obern Theile erhielt. — Kaiser KARL der Grosse gab sich alle Mühe, den Kirchengesang so viel als möglich zu verbreiten, und sandte im Jahre 774 zur Erlernung des echten römischen Chorales zwei Geistliche nach Rom, nach deren Zurückkunft er an vielen Orten seines Reiches, namentlich zu Metz und Soissons, Singschulen errichten liess, — Er liess durch ein kaiserliches Mandat erklären: „dass acht Töne oder Schlüssel vollkommen hinreichend seien," um den Streit der Künstler jener Zeit zu entscheiden, die sich über die Zahl der Schlüssel und Tonarten nicht vereinigen konnten. Ein zweites Dekret bestimmte die Zwölfzahl, als die der musikalischen Haupttöne, GREGOR XI. brachte bei seiner Rückkehr von Avignon nach Rom im Jahre 1733 ein französisches Sängerchor mit, welches mit denjenigen der päpstlichen Kapelle in Rom sich vereinigte, Die neuen Ankömmlinge führten eine höchst gefährliche Accord-Musik ein, welche mit Zierrathen, Abtheilungen und unanständigen Zusätzen dermassen überhäuft war, dass die Kirchenmusik bald von einer heiligen Kunst zu einem profanen Schauwerke herabgewürdigt wurde. Es kam so weit, dass der Cardinal DOMENICO CAPRANICA dem Pabst NICOLAUS V. auf die Frage, was er von seinem päbstlichen Musikchore denke, mit grosser Freimüthigkeit, und mit einem zwar nicht sehr feinen, aber sehr treffenden Gleichnisse antwortete;,,Derselbe scheine ihm wie ein Sack voll junger Schweine, denn er höre wohl einen furchtbaren Lärm, könne aber nicht einen einzigen artikulirten Laut unter

scheiden." Im Jahre 1549 schrieb CIROLLO FRANCHI an UGOLINO GUALTERUZZI über die Sänger seiner Zeit: ,,Sie setzen ihr ganzes Glück und ihr ganzes Verdienst darein, dass in demselben Augenblicke, wo der Eine Sanctus sagt, der Andere Sabaoth singe, und ein Dritter Gloria tua: und dieser Wirrwarr ist dann von einigem Geheul, einigem Gebrülle und Knurren begleitet, welches eher dem Geschrei der Kater im Januar gleicht, als den duftenden Blumen des Maimonats." *) Als diese Missbräuche den höchsten Grad der himmelschreiendsten Entheiligung erreicht hatten, hob sich PALESTRINA'S Genie empor; dasselbe war so rein, als hätten ihn die Engel die Harmonie des Himmels gelehrt. Johann PERLUIGI, von seiner Geburtsstadt PALESTRINA genannt, ward im Jahre 1524 von armen Eltern geboren ; da seine Talente einem Musiker aufgefallen waren, wurde er als Singknabe an der Kirche seines Geburtsortes angestellt. Im 27. Lebensjahre wurde er Musikdirector der in St. Peter von Julius III. neuerrichteten Capella Julia. — Im Jahre 1564 wurde PALESTRINA beauftragt, eine Messe zu componiren, von deren glücklichem Erfolge das Loos der so sehr in Verfall gerathenen Kirchenmusik abhänge, so dass, im Falle eines Misslingens, Letztere auf immer, als ein profanes Product, würde aus dem Hause Gottes verbannt werden. PALESTRINA überreichte der, zu diesem Zwecke vom Pabste Pius 1564 eingesetzten Congregation, drei Messen. Die dritte dieser Messen wurde am 29. Juni 1564 in der Sixtinischen Kapelle aufgeführt, und entschied auf das Vollkommenste zu Gunsten der Kirchenmusik. Die Congregation erklärte, dass

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*) Siehe Vorträge über die in der päbstlichen Kapelle übliche Liturgie der stillen Woche von Dr. NICOLAUS WISEMANN. Augsburg, 1840. Verlag der KARL KOLLMANN'schen Buchhandlung.

nichts mehr zu wünschen übrig bleibe, und befahl die Beibehaltung der Tonkunst beim Gottesdienste. Diese Messe, bekannt unter dem Namen,,Missa Papae Marcelli," wurde auf Ersuchen des Königs PHILIPP VON Spanien, einige Jahre nachdem sie war verfertigt worden, unter der Regierung des dritten Pabstes seit MARCELLUS, veröffentlicht; und wird alljährlich am Charsamstage in der Sixtinischen Kapelle aufgeführt. PALESTRINA starb am 2. Hornung 1594 in den Armen des heil. PHILIPPUS NERIUS, und liegt in St. Peter begraben. Von dieser Zeit an wurde stets getrachtet, in der katholischen Kirche den echten römischen Kirchengesang zu erhalten, und namentlich waren es die Klöster, denen wir die Sammlung und Erhaltung der verschiedenen Choralmelodien zu verdanken haben.

ROUSSEAU bemerkt, und jeder Kenner wird diesem Urtheile beistimmen, dass keine moderne Musik die Gregorianische, hinsichtlich des Pathos, welches ein majestätischer Accord der menschlichen Stimme geben kann, übertreffe; und ein anderer Schriftsteller hat darauf aufmerksam gemacht, wie jeder neuere Versuch, den Gregorianischen Gesang nachzuahmen, vollkommen gescheitert sei. *)

II. Von verschiedenen Arten des Choral

gesanges.

Wenn man von verschiedenen Arten des Choralgesanges hört, als von dem Römischen, Münster'schen,

*) Wer sich eine ausführliche Kenntniss der Geschichte des Chorals aneignen will, der lese,,FORKEL'S allgemeine Geschichte der Musik, Leipzig, im SCHWICKERT'schen Verlage; dann im musikalischen Konversations-Lexikon die Artikel: Choral, Hymnus, Kirchentöne, Tonarten der Alten etc. Ferner: Geschichte der europäisch-abendländischen oder unserer heutigen Musik von R. G. KIESEWETTER, Leipzig, bei BREITKOPF & HÄRTEL

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Kölnischen,*) Französischen Choral, so ist unter diesen Benennungen nichts anders zu verstehen, als die Gesänge, welche dem Römischen, Münster'schen, Kölnischen, Französischen Ritus eigenthümlich sind. Der innern Natur nach stimmen alle überein, sie unterscheiden sich aber häufig durch die Melodien. Unter lutherischem, protestantischemChoral versteht man den deutschen Kirchengesang, den LUTHER in den Kirchen eingeführt, und der von den protestantischen Gemeinden mit Begleitung der Orgel bei ihren gottesdienstlichen Verrichtungen abgesungen wird.

Hier kann zunächst nur von dem römischen oder gregorianischen Choral die Rede sein, welcher sich von seiner Entstehung an, bis auf unsere Zeiten in seiner ursprünglichen Einfachheit erhalten hat. Man versteht demnach unter römischem Choral die Melodien, nach welchen in katholischen Kirchen die bei gottesdienstlichen Verrichtungen vorgeschriebenen lateinischen Texte, in lauter einfachen, sich langsam fortbewegenden melodischen Haupttönen, in einem nicht genau abgemessenen Zeitmasse abgesungen werden, und zwar nach den Grundregeln GREGORs des Grossen. **)

III. Von der Notation des Chorals.

In den ältesten noch vorfindlichen Gesangbüchern

1834. C. LAUCHER, Choralunterricht für Priester. Dillingen. „Maslon, Lehrbuch des Gre. gorianischen Kirchengesanges. 4. Breslau, ADERHOLZ. geh. 2 Thlr. 16 gGr.

*) Ueber den Münster'schen und Kölnisehen Choral lese man:,,JOSEPH ANTONY archäologisch-liturgisches Lehrbuch des Gregorianischen Kirchengesanges, Münster, bei COPPENRATH, und theoretisch praktische Anweisung zur Erlernung des Gregorianischen oder Choralgesanges. Von einem katholischen Geistlichen, Elberfeld, bei SAM. LUCAS.

**) Latein. Cantus firmus ; ital. Corale, auch Canto fermo; franz. Plain-chant; d. h. der feste, ungezierte Gesang, die ursprünglich festgesetzte Gesangsweise des Chorals, wobei die melodischen Hauptnoten einfach, ohne Verzierung, vorgetragen werden, während der Cantus figuralis (Figural- auch Mensural-Gesang) diese in Noten von geringerem, genau abgemessenem Werthe und verschiedenartigen Figuren zergliedert.

der lateinischen Kirche findet man als Bezeichnung des Gesanges die sogenannten Neumen. Diese bestehen aus Punkten, Häkchen, Strichelchen und Schnörkeln in verschiedenen Richtungen und Gestalten, welche dem Sänger durch ihre Stellung über den Sylben, die Tonhöhe, und durch ihre Gestalt auch die Beugung, das Steigen oder Fallen der Stimme anzeigten. *) Beispiele hierüber finden sich in FORKELS und KIESEWETTERS Geschichte der Musik. Später bezeichnete man die Sylben mit den sieben ersten Buchstaben des Alphabetes, und zwar die unterste Octave mit den grossen Buchstaben: A, B, C, D, E, F, G, die nächste Octave mit kleinen: a, b, c, d, e, f, g; und wenn ein Gesang noch höher bis in die dritte Octave stieg, mit doppelten: aa, bb, cc, dd, ee, ff, gg. **) Ein Beispiel dieser Art ist folgendes:

dec

de d ca C d a GF G G

Sit nomen Domini benedictum in Saecula. ***) Schon im zehnten Jahrhunderte soll man sich einer horizontalen Linie bedient haben, welcher bald darauf eine zweite parallel hinzugefügt wurde. Die obere Linie war gelb, die untere roth, und diese galt für f, jene für c.

GUIDO V. AREZZo (um das Jahr 1020 oder wenig später), ein Benediktinermönch in dem Kloster zu Pomposa, in der Nähe von Ferrara und Ravenna, benützte die Neumenschrift in diesem Zustande und verbesserte sie wesentlich dadurch, dass er noch eine Linie unter f, und eine zwischen roth f und gelb c zog. Er lehrte nun in

*) Das Wort Neuma hatte auch noch andere Bedeutungen. Im Choralgesange nämlich verstand man unter Neuma eine melodische Phrase am Schlusse eines Verses (Melisma), welche ohne Text blos vocalisirt wurde. Endlich gebraucht GUIDO v. AREZZO in manchen Stellen seiner Tractate das Wort Neuma sogar für einen geschriebenen Gesang selbst.

**) Das in diesen drei Octaven vorkommende b bedeutet stets unser heutiges h. ***) Sieh FORKEL's allgemeine Geschichte der Musik, 2ter Band, Pag. 181, wo noch mehrere Beispiele der Art vorkommen.

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