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Wo es in der Sache Noth thut, da ift auch die Ueberfetzung ein begeistertes Werk, und was für das ganze Volk gehört, mufs in der Muttersprache zu ihm reden.

J. Grimm.

Vorwort.

Die vorliegende Ausgabe der gothifchen Bibelüberfetzung verfolgt einen doppelten Zweck. Sie foll eine Schulausgabe (auch für hohe Schulen) werden und dem Theologen dienen, dem fie fortan unentbehrlich fein wird. Denn wie fehr wir die zum Theil früheren fyrischen, ägyptifchen (koptifchen) und äthiopifchen, arabifchen und armenifchen Ueberfetzungen der h. Schrift für Herstellung des urfprünglichen griechischen Textes zu fchätzen wiffen, fo dürfte doch an anfchmiegender Treue, an verständiger Gewiffenhaftigkeit keine der gothifchen Ueberfetzung gleichkommen, welche, vielleicht noch vor der verbesserten lateinifchen des h. Hieronymus, in den friedlichen Thälern des Hämus unter glücklicher Verkehrsnähe der byzantinischen Hauptstadt und Handschriften angefertigt ward.

Die mindestens fchon im zweiten Jahrhundert chriftlicher Zeitrechnung in Afrika in weniger gutem Latein entstandene Uebersetzung des N. B. (die Afra) erfuhr früh in Italien (daher die Itala) mannigfache Abänderungen des Lateins, denen endlich der h. Hieronymus mit feinen nach griechifchen Handfchriften vorgenommenen Befserungen abhalf. Diente diese Uebersetzung (die von der abendländischen Kirche angenommene Vulgata) durch jene Umstände wesentlich mit zu einer Grundlage, um einem nach unfren handfchriftlichen Mitteln erreichbaren Texte des vierten Jahrhunderts fich anzunähern, fo war doch andrerfeits auch die lateinische Sprache ihrer Natur nach, als die Sprache des irdifchen Rechtes, wenig

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für die Tiefe und den Ausdruck chriftlicher Begriffe geeignet und es bedurfte daher für jene Abficht noch einer anderen Sprache, welche gleichzeitig und mit tieferen Mitteln der Wortableitung, des Wurzelzufammenhanges (fides erreicht nie galáubeins) und des Satzbaues begabt, ohne fich felbft Gewalt anthun zu müssen und fomit ihren Zweck zu verfehlen, Wort für Wort den griechischen Text der h. Schriften treu zu begleiten und wahrhaft wieder zu geben vermochte. Dies ift unbedingt die gothifche oder deutsche Sprache.

Lachmann hat bei feiner Ausgabe (Novum Teft. graece et latine; 1842. 1850) verfchmäht, aufser der lateinifchen Vulgata, Handschriften irgend welcher der vorgenannten und andrer Ueberfetzungen zu Rathe zu ziehen; hatte er doch fchon die griechischen fich eng genug begrenzt. Dafs er aber für das vierte Jahrhundert grade Ulfilas' Ueberfetzung unbeachtet gelafsen, deffen auf uns gekommene Handfchriften doch fo wenig von jenem Jahrhundert abstehen und fo treu das ursprüngliche Wort überliefert haben, ift mir ftets unerklärlich geblieben. Tifchendorf dagegen hat in feiner Ausgabe (Nov. Teft. graece: 1849) das Verfäumte einzubringen fich bemüht und fich deshalb an die Ausgabe des Ulfila von Dr. Gabelentz und Dr. Löbe (1836), fo wie an Knittel's unvollkommene Bemerkungen gehalten. Wie diefe ihn wohl und übel geleitet, habe ich S. LXXXVI der gefchichtlichen Einleitung näher nachgewiefen. Dafs aber die felbstgesteckte Begrenzung der Lesartenbenützung bei Lachmann auch nach Löbe noch (1843. 1846) in zweifelhaften Fällen des gothischen Wort finnes vollständig im Stiche liefs, hat Tifchendorf's weiter gezogener Gefichtskreis zu R. 11, 1 dargethan: man f. S. 651 und LXXXIV, Ich wiederhole aber und bekräftige hier das S. LXXXV-VII bereits anders Gefagte, dafs vielleicht Niemand einen befseren Zeugen für den griechischen Text des vierten Jahrhunderts abzugeben im Stande fei wie Ulfilas; und ich hätte, wie einft W. Wackernagel in feinem Altd. Lefebuche versucht hat, getroft aus ihm einen griechischen Text herftellen können, wie er dem Ulfilas einft vorgelegen haben müsse, wenn mich davon nicht ander

weitige Rücklichten abgehalten hätten; weshalb ich mir mit gegenfeitigen Klammern (eckigen und runden) beim gothifchen und griechischen Texte genügen liefs, alles Uebrige und Befondre aber bei diefer Schulausgabe in die Anmerkungen verwies. In diefe ift, beide Zwecke diefer Auf- und Ausgabe im Auge behaltend, in aller Kürze Vieles, was die Lefung der gothischen wie griechifchen Handfchriften und auch, was den Geift der gothifchen Sprache betrifft, hineingelegt worden, weshalb auch ftets hinlänglich viel Gleichstellen beigebracht worden find.

In der gefchichtlichen Einleitung habe ich, nach Darstellung von Ulfilas Leben und Lebenswerke für alle Stämme der gothifchen Sprache (ana gutthiudái), ausführlicher von der Sicherheit oder treuen Ueberlieferung ihrer auf uns gekommenen Handschriften, als worauf die ganze Werthung der gothischen Bibelüberfetzung beruht, gefprochen und bin hier, die ganze Fülle der vereinzelten Lesarten und Fehler mehr, als in der feiner Zeit auch darin verdienstlichen Ausgabe von Gabelentz und Löbe gefchehen ift und gefchehen konnte, unter Einen Gefichtspunkt zu bringen, aus Einem Gefetze der Schrift zu erklären bemüht gewefen; wozu mir Uppftrom's Abdruck der filbernen Handschrift befonders durch genaue Einhaltung der handschriftlichen Zeilen fehr dienlich gewefen ist: weniger war er mir dies in feinen fanskritanifchen Wörtererklärungen (wie zu vituths: Mc. 10, 38) oder griechischen (zu tharihis: Mt. 9, 16) oder gar gothischen (wie zu manvithô: L. 14, 28; naisvor: Mc. 6, 19; managans láun : Mc. 10, 45; gananthida: L. 5, 4; gabadáuthnith: J. 11, 25 u. f. w.), wie im Latein feiner Anmerkungen, worin wir die Abmessungen der Wortlücken in der Handfchrift nach dem Decimalmafse oder die mühfelige Befchreibung eines N (J. 9, 4) gegen eine erträgliche lichtbildliche Abspiegelung zweifelhafter Stellen ihm gerne erlafsen hätten. Dagegen danken wir ihm die Abänderung mancher auch bei Löbe noch altvererbten Lesart (wie baírabagms: L. 17, 6; attiuhats: Mc. 11, 2; galiugachriftjus: Mc. 13, 22; innatgahts: L. 1, 29; gafkóhi: L. 10, 4. 15, 22; lukarnaftathin u. garda: Mt. 5, 15; alabrunfts: Mc. 12, 33 und auch die Bestätigung des von Löbe erft nach der Heimkehr er

rathenen vulthrizans: Mt. 6, 26; u. f. w.); obgleich er uns auch neue Räthsel bietet (wie ibdalja: L. 19, 37 u. bimampjan: L. 16, 14 etc.) und alte wieder vorlegt (wie áibr: Mt. 5, 63; plapja: Mt. 6, 5; giftradagis: Mt. 6, 30; tharikis: Mt. 9, 16; unsibjana: Mt. 7, 23; Jôféz: Mt. 27, 56; funs sa ahma: Mc. 1, 12; .. aifvôr: Mc. 5, 16; balsagga: Mc. 9, 42; hvaírneins staths Mc. 10, 22; afar: L. 1, 15; tvalibvintrus: L. 2, 42; du viga^\na: L. 4, 31; bnáuan: L. 6, 2; gananthida; L. 5, 4; frêt: L. 15, 30; funa guth ; J. 17, 3; gabadáuthnith: J. 11, 25 etc.); woran fich die Lesarten aus Mailand reihen: jah ráifida: R. 9, 17; liubóna unliubóna: R. 9, 25; inuhthiudom: R. 10, 19; alláizé runôs: 1 C. 13, 2; all bôko... thaúrflos: 2 Tm. 3, 16; huhjands: 1 C. 16, 2; uhtiugs: 1 C. 16, 12; munth unfar: 2 C. 6, 11; arbjôs unfaris: E. 1, 14; gavalisa: C. 3, 12; andáugi izvara: 1 Th. 2, 11; hváizós: 1 Th. 4, 2; futja lôs: 1 Tm. 2, 2; háunitha: 1 Tm. 2, 11; gaman 2 C. 13, 13 (vgl. G. 2, 8); munafidáu: 2 Tm. 3, 10; ubila biarja: Tit. 1, 11; bijandzuh: Philem. 22; gúitsa: N. 5, 18; aufóna: N. 6, 16 u. f. w.; über welche fämmtlich in den Anmerkungen Rechenfchaft gegeben, Vermuthung gehegt, Befserung gewagt worden ist. Gáits. a. hat Löbe feiner Zeit fchon anerkannt, in allen Wörterbüchern und Sprachlehren steht aber lautwidrig immer noch gáitsa, was schon zu gáitein(s) gar nicht pafste. Ob fich váifvôr (Mc. 5, 16) durch feine geringe Aenderung und tiefe Bedeutung empfehlen werde, wollen wir erwarten; die Erklärung von managein feinamma (R. 11, 1) wird sich Anerkennung erwerben. Andre Befserungen fprechen für fich felbft.

Den gothifchen Text habe ich gänzlich in lateinifcher Schrift durchgeführt. Hätte ich got hifche gewählt, wozu mich der Befitz dreier schöner, abgeftufter ABC, die ich der Güte des fel. Endlicher danke, fehr reizte, fo würde weder „Germanologen" noch Theologen damit gedient gewefen fein. Freilich hab' ich drum auch das angelfächfifche th (P) gemieden; noch mehr die unglücklichen w ft. hv und q für qu oder ku (gleich dem agf. cu, das Verelius fchon anwendete), wodurch die ganze Reihe der hl, hn, hr, hv u. kv zur Anschauung kommt. Ein gothisches lateinische Schrift aufnehmen, hiefse allem Gefchmack abfagen.

mitten in Für eine

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