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reihe von volksliedern über Tristan sammelte und zu einem ganzen verarbeitete, das sollen nun aufser ihm noch vier andere dichter, vielleicht auch mehr, mit ungefähr denselben volksliedern getan haben, unabhängig von ihm und ohne zusammenhang unter einander, nämlich die verfasser der bezüglichen vorlagen des prosaromans, Eilharts, Ulrichs vTürheim, Heinrichs von Freiberg, vielleicht noch Chrestiens von Troyes und Bleris, der wider Thomas quelle war. es wird von einer derartig complicierten hypothese wol jeder gerne zu der einfacheren von G. verworfenen anschauung zurückkehren, dass diese volkslieder nur éinmal gesammelt und interpoliert wurden, und alle diese fassungen nur verschiedene redactionen einer und derselben alten bearbeitung sind. die abweichungen dieser verschiedenen redactionen gröfser zu sein scheinen als etwa, um bei G.s eigenem vergleiche zu bleiben, in den handschriftengruppen ABC des Nibelungenliedes, so erklärt sich dies daraus, dass jene uns in weit fragwürdigerer gestalt erhalten sind als diese: der prosaschriftsteller sucht seine quellen überall zusammen und lässt daneben seiner phantasie freien lauf, Eilhart benutzt neben dem 'buch' noch mündliche tradition, wie schon Lichtenstein hervorgehoben hat, Ulrich hat neben seiner französischen quelle noch Gotfried und vielleicht Eilhart gekannt, Heinrich aufser diesen vielleicht noch Ulrich.

wenn

Im 3 capitel behandelt der verf. 'die höfische version, das Thomasgedicht.' er stellt sich dabei in dem bekannten streit zwischen Heinzel und Kölbing auf des letzteren seite. mir scheint die sache noch keineswegs so ganz ausgemacht wie ihm, doch kann ich hier den verwickelten streitfall nicht des näheren erörtern.

Richtig wird (s. 106) die unsicherheit der identificierung des Bréri bei Thomas mit dem barden Bledhericus hervorgehoben. Die form Ysialt in der Folie Tristan ist vielleicht eigentum des schreibers: sie kommt nämlich nur éinmal im reime vor auf dialt dolet, hingegen erscheint zweimal Yseut im reime auf deut, welches ebenfalls gleich dolet ist.

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Zu erwähnen wäre allenfalls noch der Lohenis der Krone 11767. 19366 ff gewesen.

Berlin, 6 februar 1887.

S. SINGER.

Die deutsche Walthersage und die polnische sage von Walther und Helgunde. vortrag geh. in der hist. ges. zu Posen am 8 sept. 1885 von OTTO KNOOP. Posen, Jolowicz, 1887. 18 ss. 8° (separatabdr. aus Am Urdsbrunnen 1887).

Von vorliegendem, bereits als 'interessant und scharfsinnig' gepriesenem schriftchen stand eine endgiltige lösung des problems. oder doch wenigstens eine kritische übersicht der weitschichtigen

litteratur zu erwarten. statt dessen enthält es s. 1-11 lediglich auszüge aus dem lateinischen epos, den mhd. bruchstücken (Zs. 11, 269. 12, 280), dem analogen teile der bereits stark mit slavischen elementen verquickten Dietrichssage (vgl. Müllenhoff Zs. 12, 353. Nehring im [Warschauer] Ateneum 1883 21, 358-363) und der polnischen Walthersage (wobei jedoch die ags. bruchstücke Zs. 12, 264. 275. 278, aus denen Dieter jetzt Anglia 10, 227 die ursprüngliche gestalt herzustellen versucht, unberücksichtigt bleiben), um endlich mit einigen nichts weniger als unanfechtbaren hypothesen über art, zeit und absicht der schriftlichen fixierung der poln. Walthersage zu schliefsen.

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Letztere wird in cap. 29 der sog. Boguphalschen, richtiger grofspolnischen chronik (Sommersberg, Silesiacarum rerum scriptores, Lipsiae 1730, 2, 38 ff. Mizler de Kolof, Collectio magna scriptorum 3, 86-144 und jetzt sauber mit krit. apparat abgedruckt von WAMaciejowski in Bielowskis Monum. Poloniae historica 1872 2, 467-598) erzählt und besteht aus zwei teilen.

Der erste weist, da mir die erzählung des Saxo grammaticus (ed. Holder 1886 s. 276) von der flucht Jermoriks mit Gunno entgegen der meinung PEMüllers Det kgl. videnskabs selskabs afhandl. 1824 2, 123 und GLanges Untersuchungen 1832 s. 170 anm. 1 hierher zu zählen unstatthaft erscheint, nach Müllenhoffs einteilung Zs. 12, 274 die dritte fassung der Walthariussage auf, in der sich die sage auf den standpunct der östlichen völker stellt. Bielski, Kronika polska v. j. 1597, Sanok 1856 s. 175 und Paprocki, Herby rycerstwa polskiego [die wappen des poln. adels], 1584, ausg. von 1858 s. 89, die ebenfalls dieselbe sage erzählen, führen als ihre quellen zwei andere nun verschollene polnische chronisten an, einen ungenannten (anonymos) und den Andreas von Żarnow, sodass wir für die dritte fassung eine ganze gruppe erhalten würden. doch erklärt der bekannte Długoszforscher dr Semkowicz in einer freundlichen zuschrift an mich aus Lemberg den anonymos' eher für identisch mit der grofsp. chronik und den Andreas de Żarnów, der nie eine chronik geschrieben habe (vgl. Paprocki aao. 656), nur für den besitzer desselben werkes. andererseits aber ist nicht zu übersehen, dass Bielski und Paprocki namen und züge einflechten, welche die benutzung noch einer zweiten quelle höchst wahrscheinlich machen.

Im zweiten teil der polnischen sage wird von Helgundens frecher untreue und Walthers rache erzählt. ‘ein solches ungeheuer [wie Helgunde] hervorzubringen' meint nun Knoop s. 15, blieb der poln. sage oder wenigstens dem poln. interpolator vorbehalten. er war es, der in böswilliger absicht beide sagen

1 eine deutsche übersetzung erschien schon 1781 in Kloses anonymem werke: Von Breslau. documentierte geschichte und beschreibung. in briefen, Breslau, 1, 251-261; von da gieng sie über in Graesses Sagenbuch des preufsischen staats 1868 s. 287 ff.

zu einer vereinigte. es kam ihm darauf an, die Deutschen zu schmähen, und die beiden sagen gaben ihm dazu die erwünschte gelegenheit.' hr Kn. kennt wol von der ganzen chronik nicht mehr als den bei San Marte WvAquitanien 213 ff mitgeteilten auszug, sonst hätte ihm die im gegenteil hervorragend deutschfreundliche tendenz derselben nicht entgehen können. Scire autem dignum est heifst es Mon. 2, 470°, 10-15, quod Slavi et Theutonici a duobus germanis . . . dicuntur habuisse originem oder: Sic et Theutonici, cum Slavis regna contigua habentes simul conversatione incedunt, nec aliqua gens in mundo est sibi tam communis et familiaris, velut Slavi et Theutonici. Sic etiam per Latinos Ducz a quo Theutonici, et Slavus a quo Slavi, germani qui et fratres sunt appellati aao. 471, 6-13. auch wenn der verf. recht hätte und diese interpolation denn mit einer

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solchen haben wir es hier wahrscheinlich zu tun erst nach den kriegen mit dem deutschen orden oder gar in der zweiten hälfte des 15 jbs. entstanden wäre, fiele es doch schwer, an derartige widersprüche in éinem werke zu glauben.1 die zahlreichen untersuchungen aber über diese chronik, besonders StvWarmskis inauguraldiss. Die grofspolnische chronik 1879 s. 90 und Max Perlbachs Preufsisch-polnische studien 1886 2, 69 ff hätten den verf. belehren können, dass etwaige einschaltungen und der schluss der chronik spätestens in die zweite hälfte des 14 jhs. zu verlegen sind; Perlbach aao. und dr Wojciechowski Kwartalnik historyczny [historische vierteljahrschrift] 1887 1, 316 halten den Johannes von Czarnkow, dessen Chronicon Poloniae Monum. Poloniae 2, 619-756 ein halbes jh. 1333-1384 umfasst, für den interpolator. schliesslich ist es noch sehr fraglich, ob dieser Helgunde für eine deutsche prinzessin' s. 15 hielt. da er sie aao. 510, 22 sponsam cuiusdam regis Francorum filiam, Walthers nebenbuhler dagegen 511a, 9 regis Almaniae filium oder 511o, 25 kurzweg Almanum nennt, Helgundens vater aber jenseits, den rex Almaniae diesseits des Rheins herschen lässt, so scheint er mir einfach, ebenso wie Paprocki und Bielski, in anlehnung an die französische nomenclatur an Frankreich und Deutschland gedacht zu haben.

Die zuerst von JGrimm Lat. gedd. s. 111 ff näher berührte frage, auf welchem wege wol die sage nach Polen gedrungen sein möchte, ist noch ungelöst. canonicus Polkowski, welcher Dawne relikwijarze 1881 s. 7 ff die künstlerisch und inhaltlich höchst bedeutenden reliefs eines von ihm entdeckten, jetzt in der schatzkammer der Krakauer kathedrale aufbewahrten elfenbein

1

aus dem umstande, dass Długosz († 1480) glaubt Kn. folgern zu müssen, er habe eine hs. welche jene begebenheiten nicht enthielt (s. 13). bemerken, dass alle bis jetzt bekannt gewordenen Walthariussage enthalten.

diese sage nicht erzählt, dieser chronik benutzt, dagegen genügt es zu hss. unserer chronik die

kästchens irrtümlich für scenen aus der polnischen Walthariussage ansieht, hält die mönche des benedictinerklosters zu Tyniec bei Krakau, dem stammsitze des Waltharius robustus, für die vermittler zwischen SGallen und Krakau.1 da jedoch von einer unmittelbaren einwürkung des epos auf die gestaltung der poln. sage nicht die rede sein kann, fand wahrscheinlicher auch diese sage gleich den anderen nordischen durch deutsche kaufleute, denen der Krakauer markt seit 1354 offen stand (vgl. Nehring aao. 358 ff), also vom norden her über Sachsen eingang und verbreitung. spricht aber in diesem besonderen falle mit rücksicht auf die funde Weinholds und Karajans (vgl. Zs. 2, 217 ff. 12, 281. San Marte aao. s. 183 ff) nicht ebenso vieles für die annahme einer einwanderung dieser sage aus dem westen, etwa über Wien, mit dem Krakau seit 1362 in geregelten handelsbeziehungen stand (Piekosinski, Kodeks dyplomatyczny Krakowa s. 40)?

Während somit der an poetischen zügen überreiche erste teil dieser sage vom erborgten glanze deutscher epik lebt, ist andererseits dem interpolator ebenso wenig die obscönität des zweiten teiles zur last zu legen; eher verdient er dank, dass er die ursprüngliche, kecke rohheit der motive nicht verwischte. dass Kn., anstatt den sich hier von selbst darbietenden weg einer sagenvergleichenden untersuchung einzuschlagen, sich mit unmotivierten hypothesen zufrieden gab, ist um so auffallender, als er selbst bereits das gebiet der sagenforschung mit geschick und erfolg betreten hat (vgl. seine Volkssagen, erzählungen, aberglauben, gebräuche und märchen aus dem östlichen Hinterpommern, Posen 1885, und Zs. der hist. ges. für die provinz Posen 1886 2, 25-32).

Bekanntlich gehört der zweite teil der poln. Walthariussage einem grofsen sagenkreise an, 'dessen mittelpunct die abscheuliche treulosigkeit eines weibes bildet, mit der es die liebe des gatten belohnt.' am ausführlichsten haben über denselben gehandelt FVogt, Die deutschen dichtungen von Salomon und Markolf 1880 1, XLII. LXVI ff und FLiebrecht, Germania 5, 47 ff (= Zur volkskunde 1879 s. 39 ff). 11, 172 ff. 21, 67 ff. 25, 33 ff, Orient und occident 1, 125 ff. 3, 357 f; zu vergleichen ist ferner Wilmanns, Anzeiger vi 279 ff, Benfey, Pantschatantra 1, 436 ff, SBugge Forhandlingar i videnskabs selskabet, Christiania 1862 s. 41f, WHertz, Deutsche sage im Elsass 1872 s. 243 ff, MLandau, Die quellen des Boccaccio2 1884 s. 301 ff, Bistrom, Zs. f. völkerpsychologie 6, 132 ff, Schiefner, Mélanges russes 4, 242 ff, Nehring aao., Karłowicz Ateneum 1881 24, 214 ff und RRischka Verhältnis der poln. sage von 'Walgierz wdały' zu den deutschen

1 dies interessante reliquien-, richtiger brautschmuckkästchen enthält darstellungen aus den fabliaux, den epen Chrestiens (Parcival, Lanzelot), Tristan usw. vgl. meine abhandlung in den Denkschr. der Krak. acad. d. wiss. 5, 172-240 über die litterarischen quellen zu diesen elfenbeinreliefs.

sagen von WvAquitanien, Brody 1880 (letzterer mit dem verfehlten versuch, die sage durch beziehungen zur germ. mythologie zu erklären). ich schliefse mich im allgemeinen der von FVogt aao. LXXI vorgeschlagenen einteilung der ganzen masse der hierher gehörigen sagen in zwei classen an: in der ersten (der Salomongruppe) bildet die persönlichkeit des verführers das characteristicum: der umstand, dass hier die frau sich mit einem centauren, ungeheuer, riesen, zwerge, elenden krüppel, einem an händen, füfsen, nase und ohren verstümmelten menschen, im besten falle mit einem neger oder mohren oder hässlichen heiden vergeht, verleiht dieser gruppe einen ausgeprägt märchenhaften character. das punctum saliens der zweiten classe (der Walthariusgruppe) besteht in der äufserst krassen situation, wo der gatte gefesselt, angebunden, angenagelt, auf glühenden kohlen stehend, im feuer hängend usw. augenzeuge der schamlosigkeit seiner frau sein muss. ob aber der verführer ursprünglich ein der obhut des weibes anvertrauter gefangener ist, ob die befreiung des gatten durch ein wunder (Somadeva), durch die blinde wut des weibes (deutsche Gesta Rom.), durch dessen zweite frau ([Bogdo-GeserChan], Halvssaga), durch den sohn (Rudolf vSchlüsselberg, Grujo Novakovič, [Raso]), oder durch die schwester des verführers (russ. bylinen, poln. Walthersage uo.) herbeigeführt wird, ob der betrogene die letztere heiratet, oder ihr nur die ehe verspricht, ob und welche rache er an dem verführer und der untreuen übt alles dies sind nebenumstände, die Vogt vielleicht zu viel beachtet und die zwischen beiden classen hin- und herspringend die gruppierung der sagen auf keine weise beeinflussen können. dass der zum tode verurteilte gatte durch ein verabredetes hornsignal sein heer herbeiruft und sich befreit, ist jedoch ein ausschliesslich der Salomogruppe angehöriges motiv, wozu weitere parallelen bei Wilmanns aao. 282 fr.

Zu den von Vogt aao. LXXII f angeführten versionen der Walthariusgruppe ist noch folgendes zu bemerken und nachzuholen. die geschichte (der deutschen Gesta Romanorum Graesse 2, 193) Von dem ritter der sein weib mit im gen praupfsi fürt (Gordianus waz gewaltig ze rom) kommt nur im Grimmschen codex Berolin. 81 40 v. j. 1469 und im cod. Turic. C 113 fol. (vgl. Oesterley, Gesta Rom. 1872 s. 208. 230) vor. die lat. Gesta (also wol auch der noch nicht untersuchte cod. Krakov. 430 v. j. 1437) kennen sie ebenso wenig, wie die altengl. (hg. von Sidney JHHerrtage 1879. EETS extra series 39) und die altfr. (Le violier des hist. rom. par Brunet 1858). auch die polnischen Gesta (VDiederichs, Russische revue 1880 17, 128 anm.), deren erste ausgabe nach Pypin очеркъ литературной исторін стариннихъ повѣстей и сказокъ русскихъ 1857 s. 183 in Krakau 1691 herauskam, scheinen diese geschichte nicht zu kennen; wie hr dr Semkowicz, der für mich die zweite ausgabe von 1773

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