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A. von Mocsonyi: Religion und Wissenschaft. (Dr. M. Gloßner.) 144
N. Peters: Die älteste Abschrift der zehn Gebote, der Papyrus Nash.

(Dr. Karl Miketta, Theologieprofessor, Weidenau, Öst. Schlesien.) 333
N. Peters: Glauben und Wissen im ersten biblischen Schöpfungs-
bericht. (P. Meinrad M. Morard O. P., Universitätsprofessor,
Freiburg, Schweiz.)

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H. Pichler: Über die Arten des Seins. (P. R. Schultes O. P.)
G. Pico della Mirandola: Ausgewählte Schriften. Von A. Liebert.
(P. L. Zeller O. S. B.)

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A. Rohling: Zukunft der Menschheit als Gattung nach der Lehre
der hl. Kirchenväter. (P. L. Zeller O. S. B.)
Jos. Sachs: Grundzüge der Metaphysik im Geiste des bl. Thomas
von Aquin. 3. Aufl. (P. R. Schultes O. P.)
A. Schlatter: Die philosophische Arbeit seit Cartesius nach ihrem
ethischen und religiösen Ertrag. (P. L. Zeller Q. S. B.)

Wilh. Schmidt: „Moderne Theologie des alten Glaubens" in kri-

tischer Beleuchtung. (P. L. Zeller O. S. B.)

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Wilh. Schmidt: 1. Der Kampf um die sittliche Welt. 2. Der Kampf
um den Sinn des Lebens von Dante bis Ibsen. (P. L. Zeller O. S. B.) 410

Chr. Schrempff: Über Gemeinverständlichkeit als Aufgabe der

Philosophie. (P. Reginald Schultes O. P.)

A. Stöckl: Lehrbuch der Philosophie. Neubearbeitet von G. Wohl-
muth. I. Bd. (Fr. Hyazinth Amschl O. P.)

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KANT DER PHILOSOPH DES PROTESTANTISMUS.

VON DR. M. GLOSSNER.

Unter dieser Überschrift liegen zwei literarische Erscheinungen vor uns, eine jüngere von J. Kaftan (Rede, gehalten bei der vom Berliner Zweigverein des evangelischen Bundes veranstalteten Gedächtnisfeier am 12. Februar 1904) und eine ältere von F. Paulsen (1899). Dem letzteren erschien sein Thema als „eine nicht uninteressante Aufgabe in einer Epoche, wo in der protestantischen Welt nicht bloß die Philosophie, sondern auch die Theologie vor allem an der Philosophie Kants sich orientiert, wo in der katholischen Welt der hl. Thomas wieder als der kanonische Philosoph gepriesen wird" (Vorbemerkung).

P. meint, daß der Protestantismus keine Ursache habe, der Kantschen Philosophie als seiner echten Frucht sich zu schämen, wie anderseits Kant seine Abkunft von Luther nicht werde verleugnen wollen" (S. 5). Die letztere Bemerkung klingt etwas zaghaft, was man begreiflich finden wird, wenn man sich erinnert, daß Kant die Religion in die „Grenzen der Vernunft" einschloß. Aus der Schule des Pietismus mag der kritische Philosoph seine Bewunderung des „kategorischen Imperativs" geschöpft haben, gegen die Stellung Luthers zur Philosophie und zur Vernunft aber würde er sich zweifellos trotz seines Irrationalismus entschieden aufgelehnt haben. Kant will im Gegensatz zu Luther von einer Offenbarung, von einer anderen Wahrheitsquelle als der Vernunft nichts wissen; nur ist diese Kantsche Vernunft die subjektivistische, die in ihren eigenen Formen und Begriffen eingesponnen und verfangen ist. Es begreift sich daher, daß Kant selbst sich „die Rolle eines philosophischen Vorkämpfers des Protestantismus“ nicht beilegte.

Gleichwohl bestreiten wir durchaus nicht, daß Kant mit Recht im Gegensatz zu dem Philosophen des Katholizismus, dem hl. Thomas, der Philosoph des Protestantismus genannt werde; denn er war es, der das Prinzip, auf Jahrbuch für Philosophie etc. XXII.

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welchem der Protestantismus ruht, mit vollem Bewußtsein auf das philosophische Gebiet übertrug. Zwar war der entscheidende Schritt bereits von Descartes geschehen; indes verband Desc. das subjektivistisch-rationalistische Prinzip mit einem Dogmatismus, der die volle Entfaltung seiner Konsequenzen verhinderte. Dasselbe gilt von Wolff, dem Systematiker der Leibnizschen Philosophie, dessen rationalistischer Dogmatismus von Paulsen mit Unrecht in Parallele mit dem philosophischen System des hl. Thomas gesetzt wird. Dieses ist weder rationalistisch nicht in dem Sinne, daß es nur die Vernunft als Erkenntnisquelle gelten läßt, auch nicht in dem, daß es die Sinnlichkeit auf Vernunft zurückführt. Sie ist aber auch nicht dogmatisch, wenn man mit diesem Ausdruck eine Auffassung bezeichnet, welche die Vorstellung als unmittelbaren Gegenstand der Erkenntnis erklärt, damit aber die Ansicht verbindet, dieselbe vergegenwärtige dem denkenden Geiste die außer ihm vorhandene Wirklichkeit. In diesem Sinne dogmatisch sind die Systeme Descartes', Leibniz' und Spinozas, keineswegs aber die Philosophie des heil. Thomas von Aquin.

Ungeeignet erscheint auch die dem System des heil. Thomas und den katholischen Theologen angeheftete Bezeichnung: Semirationalismus, durch den dasselbe als eine Art unkonsequenter Rationalismus hingestellt werden soll, was die Annahme einer natürlichen Religion, als Möglichkeit gedacht im Unterschiede von der tatsächlichen, übernatürlichen, geoffenbarten durchaus nicht ist. Man stellt die Sache so dar, um den Irrationalismus Luthers, der die Vernunft als in göttlichen Dingen völlig blind und machtlos erklärte, in einem günstigeren Lichte erscheinen zu lassen.

P. gesteht also, der Protestantismus sei „in seinem Ursprung und Wesen irrationalistisch". Luthers Auffassung hänge mit seinem tiefsten Erlebnis zusammen, nämlich der Rechtfertigung „,allein durch den Glauben". Dieses „Erlebnis" aber war im Grunde Selbsttäuschung, deren Festhalten dem ,,Reformator" die schwersten, sich steigernden Seelenkämpfe kostete! Daß dies zugleich eine Rückkehr zum alten Evangelium bedeutete, können wir P. nicht zugeben; schon der Umstand, daß Luther im Rationalismus und Naturalismus der Renaissance Bundesgenossen fand (S. 11), hätte ihn zur Vorsicht mahnen sollen.

Naturalistisch insofern, als der „Glaube" wesentlich nichts. anderes ist als das Bewußtsein der natürlichen Gottverwandtschaft, ist nämlich auch dieser Glaube an die Rechtfertigung durch den Glauben. Der anscheinend exzessive Supernaturalismus der Rechtfertigungslehre Luthers ist in Wahrheit Naturalismus. Mit der Rückkehr zum alten Evangelium ist es demnach nichts; denn dieses lehrt eine Rechtfertigung und eine Teilnahme am Göttlichen von oben her (avov) oder eine eigentliche Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Hl. Geiste, nicht aber eine Selbsterlösung durch Wieder besinnung auf die eigene ursprüngliche Würde einer wesentlich gottverwandten menschlichen Natur. Denn dieser Gedanke entspricht, wenn auch nicht dem symbolischen Ausdruck, doch dem Wesenskerne des Protestantismus.

Dies ist es, was P. selbst konstatiert, indem er im ursprünglichen Protestantismus als der Tendenz nach angelegt sein läßt: 1. die Autonomie der ,,Vernunft", 2. und 3. den Antiintellektualismus und Voluntarismus, endlich das Moralprinzip, daß der Wert des Menschen nicht in der Materie des Wollens, sondern in der Form, der Willensbestimmtheit liege (S. 15 f.). In allen diesen Stücken zeigt sich die Verwandtschaft der Kantschen Philosophie mit dem Protestantismus. All dies sei aber auch „für uns unaufgebbare Wahrheit". Es gebe zwar praktische (juridische) Unfehlbarkeit, nicht aber theoretische: wobei P. übersieht, daß der Katholik sich einer Unfehlbarkeit unterwirft, die er als eine solche göttlichen Ursprungs erkennt, daß sein obsequium ein obs. rationabile ist.

Der Zweifel an dem guten Glauben des Klerikers, der mit einer Bismarckanekdote gewürzt ist (S. 21), enthält etwas Ehrenrühriges. Ob wohl P. je einen Blick in eine katholische Apologetik geworfen hat? Wir möchten es bezweifeln. Übrigens halten auch wir, freilich in einem anderen Sinne als Luther dafür, daß der Glaube, wie man sich wohl ausdrückte, eine Lebenserfahrung sei, die der Gläubige an der Hand Gottes macht, und daß Vernunftbeweise nicht seinen inneren Beweggrund bilden, sondern nur Gründe für seine Berechtigung vor dem Forum der Vernunft seien. Der Glaube des Katholiken ist demnach weder irrationell noch voluntaristisch. Ist dies aber der des Protestanten, so möchte man fragen, ob dieser damit im Vorteil sich befinde.

Allerdings soll es nicht Willkür, nicht eine „einmalige Entschließung", sondern die Grundrichtung des ganzen Wesens und Willens sein, was für eine der großen, möglichen Richtungen der Welt- und Lebensanschauungen den Ausschlag gebe (S. 24). Diese Wendung ist, wie uns scheint, ganz wirkungslos; denn schaltet man einmal die vernünftig abwägende, forschende Reflexion aus, so bleibt nur die Wahl zwischen subjektiver Willkür und dem äußerlich bestimmenden Einfluß des Milieus.

Mit Kant bestreitet P. die Beweiskraft des „ontologischkosmologischen", sowie des „physikotheologischen" Argumentes, übersieht aber dabei, daß Kants Kritik auf erkenntnistheoretischen Ansichten beruht, deren Falschheit längst nachgewiesen ist. Manche der von P. erhobenen Bedenken hat schon Aristoteles zerstreut, wenn er gegen Empedokles die Berechtigung der teleologischen Weltbetrachtung nachweist. Den schroffen Gegensatz von Ideal und Wirklichkeit, in welchem P. einen protestantischen Zug ersehen möchte, nämlich in Hinblick auf den protestantischen Kirchenbegriff, kennt zwar der katholische Begriff einer sichtbaren Kirche nicht; aber dieser weiß eben zwischen dem Menschlichen in der Kirche und der göttlichen Setzung wohl zu unterscheiden und hütet sich, das Göttliche im „Idealen“ zu verflüchtigen, wie dies in der Konsequenz des Protestantismus liegt.

P. will gegen Kant Metaphysik festhalten, und zwar 1. den objektiven Idealismus, 2. den Monismus, meint aber, im Grunde sei dies auch Kants eigene Metaphysik, nur daß er sie nicht eigentlich als legitimes Erzeugnis der spekulativen Vernunft anerkennen wolle (S. 27). Daß an dieser Behauptung Wahres ist, lehrt die Entwicklung der von Kant ausgegangenen idealistischen Philosophie; sie beweist aber zugleich die innere Falschheit der Kantschen Kritik, die am besten aus ihren Früchten zu erkennen ist. Zwar soll nach P. die Zerfahrenheit der Anschauungen in der protestantischen Welt (Kepler gegenüber), sowie die ,,Vielstimmigkeit" der Philosophie auf protestantischem Boden kein Beweis für die Berechtigung des katholischen Prinzips der philosophia perennis sein (S. 35); uns aber scheint es, P. verfalle mit dieser optimistischen Auffassung in die von Horaz so köstlich persiflierte, jedoch den Freunden empfohlene Nachsicht liebender Eltern:

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